Legenden d. Albae (epub)
roten Schärpe einen bellenden Befehl gab. Daraufhin sanken alle um sie herum auf ein Knie und beugten das Haupt vor dem Alb. »Endlich haben wir Euch gefunden, Halbgott«, krächzte der Srink und reckte stolz das Haupt.
Caphalor unterdrückte die aufsteigende Erleichterung, die mit der Verwunderung einherging, dass sie die Dunkle Sprache beherrschten. Anscheinend wurde das Volk der Albae von dieser Sorte Srink verehrt.
Die schnelle Bewegung neben sich erkannte er zwar aus dem Augenwinkel, aber die geschlossene Faust war bereits zu dicht herangekommen. Er riss den Kopf zurück, die Knöchel prallten gegen sein Kinn.
Feuerräder blitzten vor ihm auf, gleichzeitig senkte sich ein schwarzer Vorhang von oben herab; seine Gliedmaßen wurden bleischwer. Noch im Ausfallschritt, mit dem er seinen Sturz abzufangen versuchte, bekam er einen Tritt in den Magen, der ihm die Luft raubte. Zwar tauchte er unter dem nächsten Hieb ab, doch gegen einen weiteren in den Nacken war er machtlos.
Vor den Stiefeln der Obboona schlug er nieder, sein Bewusstsein setzte unaufhaltsam aus.
Caphalor sah Karjuna auf sich zukommen, sie lächelte und schien sich zu entschuldigen. Genau verstand er ihre Worte nicht. Raleeha rief aus meilenweiter Entfernung seinen Namen, und er wunderte sich, wie sie das trotz seiner Ermahnung wagte. Er war ihr Gebieter!
Die Obboona verlor sich in der Dunkelheit, die ihn überwältigte. Seine letzte Handlung war, nach ihr zu stechen, als sie sich näher heranwagte. Er vernahm ihren Schrei und dämmerte weg.
Caphalor schreckte in die Höhe, seine Hand fuhr an den Schwertgriff – und langte ins Leere.
Er trug nichts am Leib, wie er im Schein der funzeligen Lampe erkannte, nicht einmal ein Untergewand. Neben ihm kauerte Raleeha, der man eine Decke gegeben hatte. An seinem schlanken, doch muskulösen Leib waren Linien eingezeichnet. Schnittlinien. Die Obboona schien sich mit seiner Haut schmücken zu wollen.
Noch verstand er nicht, was geschehen war.
»Gebieter!«, rief Raleeha erleichtert. »Endlich seid Ihr erwacht.«
»Was …« Er brach mitten im Satz ab. Sie würde ihm nicht sagen können, was sich ereignet hatte.
»Wir sind durch den Wald geschleppt worden«, begann sie ihre Erzählung. »Ich muss nicht sehen können, um zu verstehen, was um mich herum vorgeht. Die Geräusche genügen oftmals. Ihr wurdet getragen. Die Obboona und der Srink haben sich in einer Sprache unterhalten, die ich nicht verstehe, aber ich kann Euch versichern, Gebieter, dass sie sich kennen. Es klang, als erteilte sie den Geschöpfen Befehle.«
Caphalor betrachtete das Mauerwerk um sich herum. Durch das Loch in der Decke hatte man sie sicherlich herabgelassen. Es war der einzige Zugang in das Verlies. »Wo befinden wir uns?«
»Wir sind lange marschiert, bis wir eine Behausung erreicht haben«, berichtete sie und sprach dabei bedacht, als wolle sie nichts auslassen. »Wenn meine Ohren mich nicht täuschten, würde ich sagen, dass die Srink ein Gehöft erobert haben und es als ihr Lager benutzen. Uns hat man in eine Scheune gebracht, wenigstens dem Geruch nach, und dann an Seilen in ein Loch hinabgelassen.«
Caphalor betastete die Wände. Er pochte dagegen, ohne ernsthaft damit zu rechnen, auf einen Hohlraum zu stoßen. Kalt, massiv. »Hat die Fleischdiebin gesagt, was sie will?«
»Sie sagte, ich solle Euch ausrichten, dass ihr der Angriff auf Euch, ihren Halbgott, sehr leidtäte, aber es nicht anders gegangen sei, um Euch vor Schaden zu bewahren.« Raleeha sprach mit Abscheu und Widerwillen. »Sie wird Euch bald besuchen, und Ihr solltet Euch bis dahin überlegen, wie Ihr ihr danken wollt.«
»Danken
?«
»Dass sie Euch das Leben ließ, Gebieter.«
Caphalor lachte auf. »Ich bin ihr so dankbar, dass ich sie von ihrem schäbigen Dasein erlösen werde.« Er sah die Obboona vor sich; in seiner jetzigen Lage hätte er sich sogar dazu herabgelassen, sie mit bloßen Händen zu erwürgen. »Weißt du, was mit meinem Nachtmahr geschah?«
»Er ging nicht mit uns. Entweder ist er im Wald beim Kampf gestorben oder er flüchtete«, erwiderte sie und seufzte. »Ich bin verzweifelt, Gebieter. Was können wir tun?«
Diese Frage hatte sich der Alb fünf Herzschläge früher insgeheim auch gestellt, um eingestehen zu müssen: nichts. »Abwarten. Ich sehe keinerlei Möglichkeit, aus dem Gefängnis zu entkommen.« Er suchte den Boden ab, ob es etwas gab, was er als Waffe gebrauchen konnte. Mehr als einen fingerlangen, scharfen
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