Legenden der Traumzeit Roman
gefunden? Gerüchte anderer Glücksfälle haben zu nichts geführt. Wer sagt denn, dass es diesmal anders ist?«
»Hargraves ist die Sache wissenschaftlich angegangen. Nachdem er die geologische Beschaffenheit der kalifornischen Goldfelder analysiert hatte, hat er sie mit der in der Nähe seines Hauses in New South Wales verglichen und den Schluss gezogen, dass es Gold in Australien geben muss. Er hat nicht mal eine Woche gebraucht, um es zu finden, und er schreibt von riesigen Mengen im Boden, die nur darauf warten, gehoben zu werden.«
Harry und Niall grinsten sich an wie Schuljungen. »Wir stehen kurz vor einem Goldrausch«, sagte Niall atemlos, »und wir sind die Einzigen in Sydney, die davon wissen.«
»Ich fühle mich äußerst geschmeichelt, dass du diese Beute mit mir teilen willst, Niall.«
Er winkte den Dank ab. »Du bist mein Freund und Vertrauter geworden, und ich weiß, ich kann auf dich setzen, wenn es darum geht, Gewinne gerecht zu teilen.«
Harry wurde warm angesichts der Ernsthaftigkeit des Mannes. »Was ist mit deinem Neffen? Kann man sich darauf verlassen, dass er dichthält?«
Niall nickte. »Finn und seine Brüder sind bereits auf dem Rückweg nach Ophir, um ihr Glück zu machen. Ich werde den Brief an Thomson am Vierzehnten ausliefern lassen. Damit haben wir sieben Tage zur Vorbereitung, bevor die Nachricht an die Presse geht. Vorgewarnt zu sein heißt, gewappnet zu sein. Sobald es sich herumgesprochen hat, fängt der Wahnsinn an. Das ist unsere Chance, Harry, und wir müssen mit beiden Händen zupacken.«
Trotz seiner anfänglichen Aufregung wurde Harry vernünftig, denn ihm kamen Zweifel. »Wir sind schon ein bisschen zu alt, um im Busch ein Lager aufzuschlagen und in eiskalten Flüssen nach Gold zu suchen, und was mich betrifft, ich habe nicht die leiseste Ahnung vom Goldschürfen. Im Übrigen hat sich Olivers Gesundheitszustand seit seinem zweiten Anfall verschlechtert, und ich kann Amelia nicht allein lassen.«
»Aber das brauchst du auch nicht, Harry – das ist ja das Schöne daran.« Niall strahlte förmlich Energie aus, während er im Zimmer auf und ab schritt. »Wir können unser Vermögen hier machen, und dafür habe ich bereits einiges in die Wege geleitet.«
»Wie das, wenn das Gold in Bathurst liegt?«
»Indem wir Tausenden auf der Suche nach ihrem Topf voll Gold die notwendige Ausrüstung verkaufen«, sagte er leise. »Überleg doch mal, Harry: Sobald es sich herumspricht, wird ein wilder Ansturm auf Bathurst einsetzen, und jeder wird Wagen, Werkzeug, Proviant, Kleidung, Zelte, Maultiere und Pferde haben wollen. Harry, die Nachfrage wird mit jedem Schiff größer werden, das hier anlegt.«
Harry traf die Erkenntnis wie ein Schlag, und er sprang auf. »Unsere Lagerhäuser sind voll mit Tee, Salz, Zucker, Mehl und Lampenöl, und gestern ist die letzte Sendung Segeltuch undSeile eingetroffen, nebst Dutzenden von Tuchballen und tausend Paar Schuhen.«
»Ich weiß, ich habe es nachgeprüft.« Niall lachte in sich hinein. »Der Zeitpunkt könnte nicht günstiger sein.«
Harrys Gedanken überschlugen sich, und sein Herz schlug schneller. »Wenn das, was du glaubst, in Erfüllung geht, dann lässt sich tatsächlich ein Vermögen machen. Wir wollen hoffen, in Ophir liegt so viel Gold, dass noch viele Schürfer kommen werden.«
»Oh, ganz bestimmt«, sagte Niall zuversichtlich, »und du kannst sicher sein, dass andere Goldfelder folgen werden, denn die geologische Beschaffenheit in der Umgebung von Bathurst ist der im Norden Melbournes nicht unähnlich.«
»Woher um alles in der Welt weißt du das?«
»Ich habe mir zur Aufgabe gemacht, es herauszufinden, und habe mir Karten vom Landesinnern besorgt, die ich gestern Abend sorgfältig studiert habe.« Er zwirbelte seinen Schnurrbart. »Meine vier Söhne sind bereits dorthin unterwegs, und ich rechne damit, dass es nicht lange dauert, bis ich gute Nachrichten erhalte.«
»Du bist ein gerissener alter Teufel.«
»Um einen zu erkennen, muss man selber einer sein! Und hör mir auf mit dem Alter – ich bin nur zehn Jahre älter als du.« Fröhlich zwinkerte er Harry zu und schenkte sich ein Glas Whisky ein.
»In Wirklichkeit sind es zwölf, aber wer zählt das schon?« Harry hob seine Teetasse und prostete Niall zu. »Auf eine goldene Zukunft!« Sie tranken einen Schluck ihres bevorzugten Getränks, grinsten sich munter an und machten sich daran, über die beste Strategie zu verhandeln, wie man die Nachfrage nach ihren Waren
Weitere Kostenlose Bücher