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Legenden der Traumzeit Roman

Legenden der Traumzeit Roman

Titel: Legenden der Traumzeit Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
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viel kleiner, als ich es in Erinnerung hatte«, sagte er seufzend. »Jetzt, da die Möbel weg und die Zimmer leer sind, ist mir, als hätte ich ihre Gegenwart ausgelöscht. Ich komme mir vor wie ein Verräter.«
    »Du bist niedergeschlagen, weil du deine Familie vermisst«, sagte Niall, »aber es ist nur ein Haus, und sie hätten dir deine Entscheidung verziehen.« Er trank einen Schluck Tee. »Jetzt, da es nicht mehr notwendig ist, Amelias Schwester eine jährliche Zuwendung zu zahlen, bedeutet die Miete für das Haus ein zusätzliches Einkommen.« Seine blauen Augen betrachteten Harry über den Tassenrand hinweg. »Und das ist im Augenblick wichtig.«
    Harry starrte in den Kamin, in dem ein paar Flammen lustlos über feuchten Holzscheiten zischelten. »Es ist noch immer ein weiter Weg«, brummte er, »und ich weiß, Oliver verübelt mir, was ich mache. Trotzdem bleibt mir nichts anderes übrig, und im Grunde seines Herzens weiß Oliver das auch.«
    Er nahm eine Zigarre aus dem Humidor und kappte sie, bevor er sie anzündete. »Der Verkauf des lächerlichen Bürogebäudes in der Innenstadt hat einige seiner Schulden getilgt, doch nachdem ich die Anzahl der Dienerschaft um mehr als die Hälfte verringert, die Pferde und die Ersatzkutsche verkauft habe, werde ich das Gefühl nicht los, ich zerstöre alles, worum mein Bruder gerungen hat. Du hast keine Ahnung, wie sehr mir das zusetzt.«
    »Dessen bin ich mir sicher«, murmelte Niall. »Aber ich glaube, der Schmerz saß tiefer, als du erkannt hast, dass er dich konstant um dein Erbe betrogen hat.«
    Harry schloss die Augen. Früher war er davon ausgegangen, dass er einen gerechten Anteil am Walfang und am Großhandelsgeschäft erhalten hatte, doch die Zahlenkolumnen in den Rechnungsbüchern bewiesen ohne jeden Zweifel, dass er dreimalso hoch hätte sein müssen. Er hatte es nicht glauben wollen, aber die Tatsachen waren unbestreitbar, und Harry drohte noch immer schier zu verzweifeln, sobald er daran dachte.
    »Zuerst wollte ich einen Streit mit ihm austragen, eine Erklärung verlangen«, erwiderte er, »aber natürlich war er viel zu krank. Und wozu sollte das führen? Was geschehen ist, lässt sich nicht mehr rückgängig machen.«
    »Ich würde meine Zeit nicht mit Reue vergeuden, Harry. Du hast deine Loyalität mehr als bewiesen, so wie du seitdem mit allem umgegangen bist. Olivers Reich war auf Sand gebaut, aber du hast es auf festere Grundlagen gestellt. Statt dir deine Hilfe zu verübeln, sollte er dem Herrgott dafür danken.« Er stellte die Teetasse ab und stand auf. »Genug von diesem düsteren Geschwätz!«, sagte er energisch. »Ich habe Neuigkeiten, die dir den Tag bestimmt erhellen werden.«
    Harry brachte ein Lächeln zustande. »Die Banken tilgen alle Schulden und verschenken Geld?«
    Niall lachte. »Das dürfte eine Wunschvorstellung sein. Aber es ist etwas im Gange, was unvorstellbaren Wohlstand verspricht, wenn du dich mit mir auf ein Geschäft einlassen willst.« Er schloss die Tür.
    Harrys trübe Laune war verflogen. »Du machst mich neugierig«, gab er zu.
    »Ein Mann namens Hargraves hat Gold gefunden.«
    »Gold? Wo?« Harry rutschte auf der Stuhlkante nach vorn.
    »In einem Nebenfluss des Macquarie River, gleich außerhalb von Bathurst.« Mit leuchtenden Augen hockte Niall sich auf seine Sessellehne.
    Harrys Puls raste. »Aber woher weißt du das? In den Zeitungen stand nichts darüber, und …«
    Niall lachte. »Hargraves haben einige vielleicht für dumm gehalten, aber du kennst mich, Harry – ich erkenne Feuer in einem Mann, und nachdem er mir seine Theorien erläutert hat, wussteich, dass seine Erfahrung, die er im Goldrausch von Kalifornien 1849 gesammelt hat, sich als gewinnbringend erweisen könnte.« Er erhob sich, denn offenbar konnte er nicht still sitzen. »Es hat mich nicht viel gekostet, meinen Neffen Finn und den Buschmann Lister zu veranlassen, ihm flussaufwärts nach Guyong zu folgen. Finn ist im Gasthaus geblieben, bis sie eine Woche später aus dem Buschland um Ophir wieder zurückgekehrt sind. Aus Hargraves Aufregung war deutlich, dass er was am Laufen hatte.« Er grinste. »Hargraves hat an jenem Abend einen Brief an Thomson geschrieben, den Kolonialminister. Finn hat ihm angeboten, ihn auszuliefern.«
    »Und hat ihn zuerst dir gebracht«, beendete Harry seine Worte. Nialls Aufregung war ansteckend, und zum ersten Mal seit Monaten spürte Harry, wie die Bürde der Verantwortung leichter wurde. »Wie viel Gold hat er

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