Legenden der Traumzeit Roman
durcheinanderliefen und auf ihre Heuer warteten.
»Alle Mann an Steuerbord!«
»Ich frage mich, wie hoch unser Anteil ist und wie hoch die Sonderzahlung ausfällt«, murmelte Bones vor sich hin, nachdem er sich mit Hilfe seiner Ellbogen bis zum Tisch des Zahlmeisters vorgedrängt hatte.
»Ich glaube, die werden gut sein«, erwiderte Hina, der fest wie ein menschlicher Berg vorn stand, sodass die anderen gezwungen waren, ihn zu umrunden. »Der Kaufmann muss gut gezahlt haben, damit der Käpt’n die Ladung nicht versteigert.«
»Stimmt, ihr schlüpfriger Pöbelhaufen«, schrie der Kapitän, »ich biete jedem die doppelte Bezahlung, der an Bord ist, wenn wir wieder ablegen. Ihr habt zwei Monate an Land – Zeit genug, euer Fieber abzukühlen und wieder zur Vernunft zu kommen. Was sagt ihr?«
»Ich suche lieber Gold und mache mein Glück«, brüllte einer aus der Mannschaft.
»Ja, das reiche Leben für mich, Käpt’n.«
»Ihr alle seid verdammte Narren«, versuchte er die Rufe zu übertönen. »Wir haben heute einen hohen Preis erzielt und werden auf der nächsten Fahrt noch mehr verlangen können. Hier werdet ihr euer Gold finden – in den Laderäumen.«
»Das gehört nicht uns«, schrie ein Matrose. »Das gehört dem Eigner der Sprite .«
»Ja, stimmt.«
Ein dumpfes Raunen lief durch die Mannschaft, und der Kapitän gab dem Zahlmeister wütend ein Zeichen, der die Heuer auszuteilen begann.
Hina nahm sein Geld und betrachtete die Münzen in seiner Hand. Mehr, als er je verdient hatte. Von Natur aus vorsichtig, knotete er sie sorgfältig in seinen Hemdzipfel und steckte ihn fest unter den breiten Gürtel.
»Kann ich mich wenigstens darauf verlassen, dass du am Ende des Landgangs zurückkommst?«
Hina war unwohl zumute, ihn enttäuschen zu müssen. »Meine Familie ist arm, Kapitän. Wenn dort also Gold ist, muss ich wenigstens versuchen, es zu finden.«
»Habe ich dich auf dieser Fahrt nicht gut bezahlt, Hina Timanu? Ziehst du die fragwürdige Verlockung des Goldes meinem Versprechen, die doppelte Heuer zu zahlen, vor?«
Die Münzen unter seinem Gürtel drückten auf seiner Haut und machten es ihm noch schwerer, sich dem Mann zu verweigern, der ihn seit mehr als fünfzehn Jahren beschäftigte. »Sie haben mich gut bezahlt«, gab er zu, »aber wenn sich so eine Chance auftut, wäre es dumm, sie nicht zu ergreifen.«
Der Kapitän kratzte sein stoppeliges Kinn. »Ja, du hast recht«, seufzte er. Er schaute über die sich rasch leerenden Decks. »Sieht ganz so aus, als würde ich hier ohne Mannschaft feststecken. Für mich oder den Eigner wird es keinen Gewinn geben, bis alle wieder bei Verstand sind.«
»Warum kommen Sie dann nicht mit mir und Bones?«
Die braunen Augen betrachteten ihn nachdenklich. »Ich war schon immer ein Seefahrer«, brummte er. »Was weiß ich denn schon vom Goldsuchen?«
»So viel wie jeder hier«, erwiderte Hina lächelnd.
Kapitän Jarvis nahm seine vom Salz gebleichte Mütze ab und kratzte sich den Schädel, während er kurz überlegte. »Ohne Mannschaft kann ich nicht segeln, aber ich kann die Sprite auch nicht unbeaufsichtigt lassen.« Sein verwittertes Gesicht legte sich in Lachfältchen. Er setzte seine Mütze wieder auf das ergrauende Haar. »Macht, dass ihr fortkommt, ihr beiden, und findet euer Gold! Wir sehen uns am Ende eures Landgangs hier wieder, denn dann werdet ihr wahrscheinlich die Nase voll haben von der Schürferei.«
Eden Valley, 1. Juni 1851
Ruby saß in der Hütte und hörte den Regen auf das Dach trommeln, während sie ihr hungriges Kind stillte. Nathaniel Logan Tyler war vor einer Woche zur Welt gekommen, und sein Vater hatte ihn noch nicht gesehen. Ruby konnte nur hoffen, dass James sich über seinen Sohn freuen und dessen Begrüßung warmherziger ausfallen würde als die seiner Tochter.
Der Schaukelstuhl knackte auf dem irdenen Boden, während sie die Schönheit ihres Sohnes bewunderte. Vom feinen, hellen Haar bis zur weichen Pfirsichhaut seiner Wangen war er perfekt, und obwohl sie für seine reibungslose Geburt dankbar war und ihr das Herz vor Liebe überging, fielen ihr vor Schwäche die Augen zu, und die Schultern sackten nach vorn.
Die vergangenen neun Monate waren aufreibend gewesen. Sie war zu früh nach Violets Geburt wieder schwanger geworden, womit definitiv bewiesen war, dass das Stillen eine Empfängnis nicht verhinderte. Es war in den endlosen Wochen der Flut passiert. James für eine so lange Zeit zu Hause zu haben hatte ihr nicht
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