Legenden der Traumzeit Roman
war ihr fremd geworden. »Es hat einmal eine Zeit gegeben, in der du Kumali Unterschlupf gewährt hättest.«
»Ja«, fuhr er sie an, »und du siehst, wohin uns das gebracht hat – ein toter Sträfling, und wir haben Vorräte, ein Pferd, einen Sattel und eine weitere Arbeitskraft eingebüßt. Wir können von Glück sagen, dass die Polizei nicht bei uns angeklopft hat, um nach dem toten Sträfling zu suchen.«
»Ich weiß, dass du dich nach wie vor darüber ärgerst, aber esist lange her, und Kumali traf keine Schuld. Du glaubst doch wohl nicht noch immer, dass sie nach ihm suchen?«
Er beachtete sie nicht. »Ihretwegen fehlen uns zwei Männer. Wir sind einfach nicht genug, um das alles hier am Laufen zu halten.«
Auf seine ungerechte Anschuldigung hin steigerte sich ihre Wut. »Wenn du mit Fergal mehr als zwei Tage am Stück hier wärst, hätten wir kein Problem«, fuhr sie ihn an. »Du warst fast sechs Monate weg, James. Und trotzdem platzt du hier herein und spielst dich auf, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, wie ich wohl in deiner Abwesenheit zurechtgekommen bin.«
»Das hier ist mein Haus, und du bist meine Frau. Ich tue und sage, was mir passt.«
Sie reckte das Kinn, fest entschlossen, sich nicht einschüchtern zu lassen und ihre Wut zu zügeln. »Wo warst du denn?«
»Ich war in Geschäften unterwegs.«
»Welche Geschäfte?«
»In meinen eigenen, verdammt!«, brüllte er.
Violet fuhr zusammen und heulte auf, womit sie Nathaniel weckte, der ebenfalls zu schreien begann.
»Um Himmels willen, Ruby!«, schrie er über die Kakophonie hinweg. »Wie soll ein Mann denken bei all dem Gejaule?«
Ruby nahm das wimmernde Kind aus der Wiege. »Du hast es ausgelöst, weil du so geschrien hast«, sagte sie kurz angebunden, wippte Nathaniel an ihrer Schulter und versuchte Violet zu beruhigen.
»Dann solltest du mich nicht ausfragen«, entgegnete er, zog einen Stuhl heran und setzte sich. »Das ist nicht gerade ein herzlicher Empfang. Du kannst mir kaum vorwerfen, dass ich schreie. Schaff Gladys und Nathaniel hier raus, und bring mir was zu essen! Ich sterbe vor Hunger.«
Ruby war ernsthaft versucht ihm zu sagen, er solle sich selbst etwas machen, wusste jedoch, es würde nur noch mehr Streit entfachen. Rasch wechselte sie Nathaniel die Windel und legte ihn wieder in die Wiege. Sobald Violet mit einer Brotkruste zufriedengestellt war und auf ihrer Hüfte saß, wärmte sie die letzte Schüssel Eintopf auf, gab frisch gebackene Brotstücke hinzu und stellte sie auf den Tisch.
»Ist das alles?« Er fuhr mit dem Löffel durch die wässrige Masse, nahm einen Mund voll und verzog das Gesicht. »Wo ist das Fleisch, und was ist mit Gemüse?«
»Ich habe keine Munition für das Gewehr, daher musste ich mich auf die Fallen verlassen. Einmal war ein Kaninchen darin. Was das Gemüse betrifft, das verfault im Boden.«
Er runzelte die Stirn. »Wie lange geht das schon so?«
Sie hielt seinem Blick stand. »Etwa drei Monate.«
Er schob die Schüssel von sich. »Du hättest das Gemüsebeet abernten müssen, als der Regen einsetzte, und Duncan hätte dafür sorgen sollen, dass jede Menge Fleisch in der Kühlkammer war, bevor er aufbrach.«
Sie war es leid, ihn versöhnlich zu stimmen. »Und du hättest hier sein sollen, statt deine Pflichten anderen zu überlassen.« Ihr Magen knurrte. »Isst du das?«
»Ich will doch meinen Magen nicht beleidigen.«
Ruby funkelte ihn an und riss den Löffel an sich. »Du wärst nicht so mäkelig, wenn das hier alles wäre, was seit Wochen zu haben war«, sagte sie mit vollem Mund. »Bettler können nicht wählerisch sein, James, und man dankt Gott, dass selbst das hier im Haus ist.«
James besaß den Anstand, beschämt auszusehen, während Ruby die dürftige Mahlzeit mit Violet teilte. »Das habe ich mir nicht klargemacht«, sagte er leise. Er schob das letzte Stück Brot über den Tisch. »Verzeih, Ruby, aber ich wollte nicht so lange fortbleiben. Und das wäre ich auch nicht, wenn ich gewusst hätte, wie es hier aussieht, aber Fergal und ich sind abgelenkt worden.«
Ruby konnte sich die Frau gut vorstellen, die diese Ablenkungverursacht hatte, denn sie hatte den Verdacht, dass James während seiner langen Abwesenheiten fremdging. Sie hatte keinen Beweis, doch sie befürchtete, er könnte eines Tages so abgelenkt sein, dass er gar nicht mehr nach Hause zurückkehren würde. Da ihr klar war, dass es nur wenig bringen würde, wenn sie ihren Verdacht laut äußerte, ignorierte
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