Legenden der Traumzeit Roman
eine Pause, wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht und trank einen großen Schluck Wasser, während sie ihn beobachtete. Tommy Saddler war sechzehn und hatte sich trotz seiner fohlenhaften Magerkeit als starker, williger Arbeiter erwiesen. Vor einem Monat war er auf Arbeitssuche nach Eden Valley gekommen, und Ruby hatte ihn sofort ins Herz geschlossen. Er besaß die Offenheit eines Landjungen und einen gesunden Menschenverstand. Er wisse nur wenig über Schafe, sei aber bereit zu lernen, hatte er erklärt.
Mit einem kurzen Blick auf die Kinder, die fröhlich in den Grenzen eines überschatteten Pferchs aus Stoffbahnen spielten, holte sie tief Luft und machte sich wieder an die Arbeit. Sie alle hatten beim Aufbau der besonderen Schurpferche Hand angelegt, und obwohl sie nur wenig Ähnlichkeit mit dem großen Schurschuppen auf Moonrakers hatten, erfüllten sie ihren Zweck. Der Sammelpferch führte in den Schurpferch, in dem sie arbeiteten, der wiederum führte zur Tauchgrube und auf die Weide, auf der die geschorenen Tiere ihre Demütigung herausblökten. Ein Dach gab es nicht, keinen Schutz vor der unbarmherzigen Sonne, doch Ruby schöpfte ihre Kraft aus dem Wissen, dass die zahlreichen Frühjahrslämmer gediehen und der zu erwartende Wollscheck vielleicht hoch genug ausfallen würde, um das Geld zurückzuzahlen, das James auf die Wollschur geliehen hatte, und trotzdem etwas zurückbliebe, um das Lager wieder aufzufüllen, sobald das Schlachtvieh verkauft war.
Die Sonne versank schnell, als die letzten Tiere an diesem Tag durch die Tauchgrube gingen und ins Gras sprangen. Ruby entspannte ihren Rücken und nahm den Hut ab, um die kühlende Brise durch ihr schweißnasses Haar wehen zu lassen. »Das wär’s«, sagte sie, stolz auf das Tagewerk. »Kommt, wir haben unser Essen verdient.«
Sie lächelte Kumali zu, die wie üblich unter einem Hustenanfall litt, und legte zärtlich einen Finger an die zerknitterte Wange des schlafenden Kindes im Tragriemen. Mookah war sechs Monate alt und sehr klein, hatte einen rostbraunen Haarschopf und hellbraune Haut. »Sieht so aus, als hätte jemand einen harten Tag hinter sich«, sagte sie ironisch. »Aber du hast dich tapfer geschlagen, Kumali. Ich weiß nicht, wie du es schaffst, so schnell zu arbeiten, obwohl du Mookah fest an dich gebunden hast.«
Kumali lächelte liebevoll. »Sie ist nicht schwer.« Sie hob den quengelnden Natjik hoch und balancierte ihn auf einer Hüfte, wo er seine strammen Beine baumeln ließ. »Nicht wie Natjik«, sagte sie und verzog das Gesicht.
Ruby ging in die Hocke, und die schmuddelige Violet rannte mit voller Wucht in ihre Arme. In ein paar Monaten würde sie zwei, ihr stämmiger Körper war der Beweis, dass sie mit der robusten Gesundheit ihrer Mutter gesegnet war. Ruby wurde warm unter ihren Küssen und den winzigen Armen, die sich um ihren Hals schlangen, denn sie waren kostbarer als jeder Wollscheck und erfüllten sie mit einer so tiefen Liebe, die ihr oft selbst Ehrfurcht einflößte. Sie hob den schläfrigen Nathaniel hoch, küsste sein schmutziges Gesicht und drückte ihn an sich. Violet nahm ihre Hand, und Ruby trat den Heimweg an, begleitet von kindlichem Gebrabbel.
Der Herd hatte wie durch ein Wunder die schreckliche Überschwemmung vor zwei Jahren überlebt, doch Ruby hatte beschlossen, ihr Glück nicht weiter herauszufordern, und die gesamte Außenküche auf höheres Gelände verlegt. Sie hatten den Hammelbraten und das gebackene Gemüse verschlungen, und nach seiner rituellen Pfeife nach dem Abendessen nahm Duncan seine Familie mit in die Hütte, die er zwischen den Bäumen gebaut hatte, während Tommy wieder auf die Weide am Berg zurückkehrte und sich unter seine Decke legte.
Ruby küsste ihre Kinder, steckte sie ins Bett und schwelgte in dem warmen, sauberen Geruch ihrer frisch gewaschenen Haut und der Nachthemden. Sie blieb noch bei ihnen, beobachtete, wie Violets Augenlider flatterten, während sie gegen den Schlaf ankämpfte, und sie die winzigen Fäuste unter dem Kinn ballte. Eine überwältigende Traurigkeit überfiel sie, als sie sich abwandte. Violet fragte nie danach, wohin ihr Vater gegangen war, und Nathaniel war zu jung gewesen, um ihn überhaupt zu kennen. Es war, als existiere James für seine Kinder nicht, und nachdem neun lange Monate vergangen waren und sie nichts von ihm gehört hatte, sah es so aus, als hätte er seine Familie vergessen.
Sie nahm Seife, Handtuch und ihr Nachthemd und verließ die Hütte.
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