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Legenden der Traumzeit Roman

Legenden der Traumzeit Roman

Titel: Legenden der Traumzeit Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
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James war ein Narr, so wie sie eine Närrin war, überhaupt jemals an seine Liebe geglaubt zu haben. Sie hatte bewiesen, dass sie ohne ihn leben konnte – warum sollte sie also wertvolle Zeit vergeuden, ihn nach Hause zu zwingen? Weil er ihr Mann war. Weil sie ihr Eheversprechen abgelegt und die Absicht hatte, es einzuhalten. Weil sie ihn einmal geliebt und er ihr Nathaniel und Violet geschenkt hatte.
    Nicht willens, sich durch die schwelende Wut den schönen Abend verderben zu lassen, machte sie sich auf den Weg zum Fluss. Sie zog die Stiefel aus, stellte sich ans Ufer und wackelte genüsslich mit den Zehen im feuchten, kühlen Gras. Sie zog die Nadeln aus dem Haar, ließ es über den Rücken fallen, streifte die Moleskinhose und das Hemd ab, die sie inzwischen immer trug, und glitt ins mondhelle Wasser.
    Es war so kalt, dass sie nach Luft rang, doch sie tauchte unter, und als sie wieder an die Oberfläche kam, spürte sie die Kälte nicht mehr. Nachdem sie sich die Haare gewaschen und sich selbst mit Kernseife abgeschrubbt hatte, legte sie sich ins seichte Wasser. Der Strom zog an ihrem Haar, bis es hinter ihr driftete und die vom Mond vergoldeten kleinen Wellen den restlichen Schweiß und Schmutz vom Tage abspülten.
    Sie schaute in den nächtlichen Himmel, der von Sternen übersät war. Der Mond war rund, keine einzige Wolke verdarb seine Vollkommenheit. Wie unbedeutend sie doch angesichts dieser Pracht war, wie einsam im großen Schweigen, das nur durch das Geräusch des Wassers und das Schlagen von Fledermausflügeln durchbrochen wurde!
    Vielleicht sollte ich mich einsam fühlen und Angst haben, dachte sie, aber wozu? Ich bin Teil des Ganzen, und alles ist einTeil meiner selbst – ich gehöre hierher. Sie lächelte zum Mond auf und wusste, dass Großmutter Nell irgendwo in dem Himmel ebenfalls lächelte.
    »Ist dir da drin nicht kalt?«
    Ruby fuhr auf; ihre Hände suchten krampfhaft die Nacktheit zu bedecken, als sie die fremde Stimme hörte. »Wer ist da?«
    »Wer sonst soll es sein, wenn nicht ich.« Er tauchte aus dem Schatten auf.
    »Finnbar Cleary, wie kannst du es wagen!«, schrie sie. »Dreh dich auf der Stelle um!«
    Er grinste noch immer, als er sich abwandte. »Ach«, sagte er, »ich habe dich schon einmal nackt gesehen.«
    »Ich war sechs«, polterte sie. »Inzwischen hat sich einiges verändert.«
    »Ja, das ist mir aufgefallen.« Seine Stimme bebte vor Lachen.
    Ruby warf die Seife nach ihm und empfand nur eine leichte Genugtuung, als sie ihn am Hinterkopf traf.
    »Au«, protestierte er. »Warum machst du das?«
    »Du kannst froh sein, dass ich mein Wurfmesser nicht griffbereit habe«, knurrte sie, während sie das Nachthemd überzog und ihre Kleider aufsammelte.
    »Das ist alles andere als eine Begrüßung nach all den Jahren, Ruby. Bist du noch nicht angezogen? Ich habe es allmählich gründlich satt, die Bäume anzusehen.«
    Statt sich nach ihrem Bad frisch und belebt zu fühlen, war sie wütend und hochrot vor Verlegenheit. Sie stapfte das Ufer hinauf, ihr Bündel an die Brust gedrückt, und rammte ihm einen Finger in den Rücken. »Was zum Teufel denkst du dir bloß dabei, zu dieser Nachtzeit unangekündigt hier aufzutauchen und den Leuten beim Baden zuzusehen? Erkläre dich, Finn Cleary! Und es sollte schon plausibel sein.«
    Er rieb sich die Stelle, an der sie ihn gestoßen hatte. »Du hast eine mächtige Kraft in dem Finger, Ruby, alle Achtung! Ichwäre nicht überrascht, wenn du mir die Rippen gebrochen hättest.«
    »Ich schlage dir den Kopf ein, wenn du mir keine ehrliche Antwort gibst.«
    Seine Augen lachten noch immer, und sein Mund zuckte, als er sie anschaute. »Tut mir leid, wenn ich dich gestört habe, und verzeih, wenn ich dich erschreckt habe.«
    Ruby war noch nicht willens, ihm zu verzeihen, denn er wirkte nicht im Geringsten zerknirscht, was seine folgenden Worte bewiesen.
    »Aber du hast da in dem Wasser schön wie eine Nymphe ausgesehen, wie das Haar auf der Oberfläche trieb und deine Haut vom Gold des Mondes berührt war.«
    Sie konnte ihm nicht in die Augen sehen, und obwohl sie ihn für seine Unverschämtheit am liebsten geohrfeigt hätte, spürte sie ein Lachen in sich aufsteigen. »Finnbar Cleary, du bist unmöglich«, platzte es aus ihr heraus.
    »Ach, Ruby, du bist ein Anblick für wunde Augen, das kann ich dir sagen, und ich verspreche, dass ich nicht lange hingeschaut habe.«
    »Darauf würde ich keine Wette abschließen.« Sie brach in lautes Gelächter aus.

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