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Legenden der Traumzeit Roman

Legenden der Traumzeit Roman

Titel: Legenden der Traumzeit Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
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und es wird allmählich ermüdend. Warum willst du mir nicht zuhören und wenigstens versuchen , mich zu verstehen?« Er klang enttäuscht, doch das schien seine Mutter nicht weiter zu beeindrucken.
    »Bis auf den üblichen Grund – stimmt denn etwas nicht mit Jessie?«
    »Sie ist nett und hübsch und eine ausgezeichnete Begleitung, und ich mag sie sehr.«
    »Dann heirate sie!«
    »Ich liebe sie nicht, Mutter, und ich habe zu große Achtung vor ihr, um sie unter einem falschen Vorwand zu heiraten.«
    »Quatsch! Was hat das denn mit Liebe zu tun? Du bist über dreißig und brauchst einen Erben. Jessie gefällt dir, und sie mag dich offenbar auch. Sie wäre die ideale Ehefrau.«
    »Warum? Weil sie jung und naiv ist und in ihrer Ehe nichts hinterfragen würde? Oder weil sie aus kleinen Verhältnissen stammt und sich deinen Wünschen fügen würde?« Er wartete nicht auf eine Antwort. »Du weißt sehr wohl, wie ich empfinde, und ungeachtet dessen, dass ein Erbe hermuss, werde ich mich deinen Forderungen nicht beugen.«
    »Dein Vater hat das auch gesagt«, entgegnete Frieda, »aber er ist zur Vernunft gekommen und hat getan, was man von ihm erwartet hat. Ich kann nicht gerade behaupten, dass uns die Erfahrung Spaß gemacht hat, aber es war unsere Pflicht. Jetzt ist es an dir, einen Erben zu zeugen, und das wirst du, Gerhardt, oder ich werde –«
    »Mich aus deinem Testament streichen? Mich enterben?« Sein lautes Gelächter war verächtlich. »Das sind doch leere Drohungen, Mutter! So leer wie dein Ehebett.«
    Jessie schauderte. Hatte Abel recht gehabt, als er sagte, Frieda biete Freundschaft nur im Tausch gegen eine lieblose Ehe mit ihrem Sohn und der Beschaffung von Erben? Noch dunklere Vermutungen kamen auf, doch sie schob sie von sich, nicht willens, sie zu nähren.
    »Dein Vater hatte mehr Pflichtgefühl in seinem kleinen Finger als du in deinem gesamten widernatürlichen Körper«, polterte Frieda. »Kannst du nicht einmal an deine Familie denken? Du könntest ja auch feststellen, dass eine Heirat mit Jessie dich zur Vernunft bringen wird. Oder bist du sogar zu feige, es zu versuchen?«
    Jetzt brüllte er. »Jessie zu heiraten wäre das Hinterhältigste überhaupt. Ich werde es nicht tun!«
    Die Tür wurde aufgerissen. Gerhardt stürmte heraus – und erstarrte.
    Jessie, eingefangen im Lichtschein, konnte ihn nur anstarren. Mit einem erstickten Schreckenslaut ergriff Gerhardt die Flucht.
    Jessie wurde bewusst, dass Frieda sie beobachtete. Sie starrten einander an, während die Uhr in der Diele tickte und die Haustür zuschlug.
    »Es ist bedauerlich, dass Sie geweckt wurden, doch Lauscher hören nur selten Dinge, die sie mögen oder auch nur begreifen. Ich hoffe, ich kann mich auf Ihre Diskretion verlassen.«
    Das war ein Befehl, keine Frage, und obwohl Jessie nur wenig von dem verstanden hatte, was ihr zu Ohren gekommen war, nickte sie.
    Herrisch schloss Frieda die Tür zwischen ihnen und schloss von innen ab.
    Am anderen Ende des Flurs raschelten Unterröcke. »Komm, Jessie, sieh zu, dass du dich anziehst. Es ist Zeit, nach Hause zu fahren.«
    Sie schaute Hilda verstört an.
    »Schon gut«, versuchte sie Jessie zu besänftigen. »Ich habe das Meiste mitbekommen, und wahrscheinlich verstehe ich besser als du, worum es ging.«
    Sie umarmte Jessie rasch. »Mach dir keine Sorgen! Du bist glimpflich davongekommen.«
    Eden Valley, in derselben Nacht
    Trotz der Schwäche, die sich allem Anschein nach in ihren Knochen eingenistet hatte, konnte Ruby nicht schlafen, denn wenn sie die Augen schloss, sah sie Finns Gesicht vor sich, seine Augen, sein Lächeln und seine dunklen Haare, die ihm in die Stirn fielen. Beunruhigt von diesen Bildern, glitt sie aus dem Bett und zog sich ein Umhängetuch über das Nachthemd, bevor sie auf Zehenspitzen zur Tür schlich, die beim Öffnen knarrte. Rubyhielt den Atem an und hoffte, dass ihre Kinder nicht gestört worden waren, doch sie schlummerten weiter. Sie trat ins Mondlicht hinaus und schaute besorgt in den sternenklaren Himmel.
    James war seit über einem Jahr fort und hatte nichts von sich hören lassen. Die Erinnerungen, die sie an ihre kurzen gemeinsamen Monate hatte, waren allmählich verschwommen und begannen zu verblassen – ebenso wie die Konturen seiner Gesichtszüge –, und jetzt schienen selbst die glücklichen Zeiten, die sie hier in Eden Valley verbracht hatten, unwirklich. Ihr kam es so vor, als hätte eine andere Ruby zu einer anderen Zeit sie erlebt, und sie

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