Legenden der Traumzeit Roman
gestohlen, Howard, Ehrenwort. Ich bin kein Dieb.«
»Das weiß ich, verdammt. Deshalb war ich so stinksauer, als ich festgestellt habe, dass man dich angeklagt hatte.« Er trank einen Schluck Bier und zündete sich eine Zigarre an. »Die Polizei hat mir deinen Ankläger gut beschrieben, Hina. Es war James Tyler.«
»Aber der ist doch hinter den Barrikaden gestorben.«
Howard schüttelte den Kopf. »Ich habe mich erkundigt. Man hat ihn bei einem Haufen Goldgräber gesehen, denen es gelungen ist, sich im Busch zu verstecken. Tyler hat den Rock eines Toten an sich genommen, dessen Pferd gestohlen und ist damit über die Melbourne Road getürmt.« Übellaunig schaute er aus dem Fenster. »Wir standen nebeneinander, als die Kugel michtraf. Ich weiß noch, dass er etwas schrie und seine Hände an mir zerrten, aber dann muss ich ohnmächtig geworden sein.«
Er drehte sich um, seine Augen blitzten auf. »Er muss mich für tot gehalten haben, denn Zeugen sagen, er habe mich einfach liegen lassen und sei fortgelaufen. Sie haben mich versteckt, und nur durch Zufall hat ein Säbel mein Versteck durchbohrt und meine Schulter getroffen. Zwei Yankee-Kumpeln ist es gelungen, mich in die Krankenstation zu befördern, aber daran kann ich mich nicht erinnern.«
»Was willst du denn jetzt tun?«
»Tyler suchen, ihm den dürren Hals umdrehen und mir meine Uhr zurückholen.« Er kaute auf der Zigarre und beäugte Hina. »Hast du Lust, mich auf dem Ritt zu begleiten?«
»Wie finden wir ihn denn?«
»Wir fangen da an, wo er zu Hause ist, an dem Ort, den er Eden Valley nennt.«
Eden Valley, Juli 1855
Kumali schaute in den bleifarbenen Himmel und wünschte, es würde regnen. Die Hitze war trotz der Jahreszeit stark. Die Erde war ausgedörrt, und alles starb. Sie hob die gereizte Garnday hoch, nahm Mookah an die Hand und watete in den leeren Fluss. Er tröpfelte nur noch durch das steinige Bett, doch er war kühl und von Bäumen überschattet, die ideale Stelle, um sich zu setzen. Lachend schaute sie zu, wie Mookah spritzte und versuchte, die quengelnde Garnday zu locken, sich dem Vergnügen anzuschließen. Das kleine Mädchen beobachtete ihre Schwester und streckte dann die Arme nach ihr aus. Mookah, noch keine vier, balancierte sie gekonnt auf der Hüfte und brachte sie zum Lächeln, als sie mit ihren Füßen auf dem Wasser trommelte.
Kumali rollte sich auf den Bauch, und ihr Kleid blähte sich imWasser auf, während sie in der Ruhe dieses seltenen Moments schwelgte. Natjik war bei Duncan, Ruby hatte Violet und Nathaniel mit nach Five Mile Creek genommen, um Vorräte einzukaufen, und die anderen waren draußen auf den Weiden. Es tat gut, den Ort eine Weile für sich zu haben, und sie hatte noch jede Menge Zeit, bis sie sich um das Abendessen kümmern musste.
Mookah hatte ein Loch im Ufer gefunden und stocherte mit einem Stock darin, während Garnday hüfthoch im Wasser saß und versuchte, einen Kieselstein zu essen. Kumali nahm ihn ihr aus dem Mund und umarmte sie, damit sie nicht wieder weinte. Ihre Kleine zahnte und kaute daher auf allem herum. Kumali liebte sie über alle Maßen und konnte nicht widerstehen, ihre Pausbacken mit Küssen einzudecken.
»Gib mir auch einen Kuss«, forderte Mookah.
Kumali hob sie hoch und vergrub ihre Nase an dem weichen, duftenden Hals, bis das Kind sich wand und schallend lachte.
Das Geräusch sich nähernder Pferde störte sie nicht weiter, aber sie ärgerte sich, dass die Männer diesen besonderen Moment störten. Sie beschloss, dass sie trotzdem eine Weile ohne sie auskommen würden, und spielte weiter mit ihren Kindern. Mookah machte sich wieder an die Erforschung des Lochs, und Kumali legte sich zurück ins Wasser, Garnday auf ihrem Bauch.
»Mama!«
Im Nu war Kumali auf den Beinen.
Mookah hatte vor Angst die Augen weit aufgerissen. »Kuck mal, Mama!«
Kumali folgte dem Zeigefinger. Sie packte Garnday fester und trat taumelnd zurück. Es waren acht Reiter, und zwei weitere Männer fuhren einen geschlossenen Eisenwagen. Sie waren schwarz, von einem anderen Stamm, und trugen die Uniform der Native Police.
Kumali griff nach Mookahs Hand und klemmte sich Garnday unter den Arm. »Lauf los, wenn ich es sage, Mookah, schnellwie der Wind«, flüsterte sie, ohne die Männer aus den Augen zu lassen.
Ein weiterer Reiter tauchte auf. Er war weiß, hatte ein pockennarbiges Gesicht und kalte Augen. »Komm hier rüber, du schwarze Schlampe. Du kommst mit uns«, rief er.
Kumali schob sich weiter
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