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Legenden der Traumzeit Roman

Legenden der Traumzeit Roman

Titel: Legenden der Traumzeit Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
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das Treiben am Kai. Die Liebe und der Schutz ihrer Brüder hatten zuweilen ein Problem bedeutet, besonders seit sie drei allein auf der Welt waren. Kein Wunder, dass sie noch nicht verheiratet war, denn jeder Kavalier, den sie je gehabt hatte, war abgeschreckt worden.
    Als Daniel und John eine Überfahrt von der Minengesellschaft im Süden finanziert bekamen, hatte Jessie heimlich auf eine Anzeige in der Zeitung geantwortet. Das Vorstellungsgespräch hatte in Truro stattgefunden, und obwohl man sie gewarnt hatte, dass sie fern jeglicher Zivilisation zwischen Eingeborenen und Farmern leben würde, fand sie die Aussicht doch spannend. Als ihr die Stelle angeboten wurde, hatte sie die Gelegenheit beim Schopf gepackt, weitab von der Armut und den Einschränkungen in Cornwall ein Abenteuer zu erleben in einem Land, das ein neues Leben versprach.
    Ihre Brüder hatten sich gegen die Idee gesträubt und ihr nicht erlauben wollen, solche Risiken auf sich zu nehmen, doch sie hatte sie mit logischer Argumentation und Entschlossenheit mürbe gemacht. Sie drei waren nach dem Tod ihrer Großmutter Rose die einzigen Überlebenden ihrer Familie, also sei es doch viel besser, im selben Land zu leben, als Tausende von Seemeilen voneinander getrennt zu sein, hatte Jessie angeführt. Ihre Brüder hatten nur widerwillig nachgegeben, und sie hoffte inständig, dassihr neuer Arbeitgeber alt, verheiratet und hässlich wäre, denn nur dann würden sie ihr erlauben, mit ihm zu gehen.
    John holte sie von ihrem Aussichtsposten auf der Truhe herunter und stellte sie auf das Deck. »Zeit zu gehen, Jess.« Er und Daniel packten jeweils einen Griff und schleppten die schwere Truhe zur Gangway.
    Jessies Herz raste, als sie ihnen folgte, ihre schwere Tasche am Arm, die Handflächen feucht vor Angstschweiß. Die frisch polierten Knöpfstiefel waren nicht unbedingt die vernünftigste Bekleidung, um eine steile Rampe hinunterzugehen, und auf dem Kai stellte sie fest, dass sie noch immer das Schwanken des Schiffes unter den Füßen spürte.
    »Ich kann hier niemanden entdecken, der wie ein Pfarrer aussieht«, brummte John.
    Jessie, die aufgrund ihrer geringen Körpergröße nur wenig sah, richtete ihre Haube gerade und strich nervös die Falten ihres Kleides glatt. Sie wusste, dass sie in dem schlichten braunen Kleid schäbig aussah, doch für eine Lehrerin war der Aufzug angemessen, und das Sträußchen cremefarbener Stoffrosen an ihrer Haube wirkte bestimmt nicht frivol. Sie musste unbedingt den richtigen Eindruck erwecken, doch allmählich kamen ihr Zweifel.
    »Bleib hier, während Dan und ich versuchen, ihn zu finden«, befahl John.
    Jessie war eine Insel im Wirbel der Geschäftigkeit, die Truhe neben sich, die Tasche zu ihren Füßen. Sie hätte sich nicht bewegen können, selbst wenn sie gewollt hätte, denn sie war vor Angst fast starr.
    »Miss Searle?«
    Die Stimme, so nah hinter ihr, ließ sie zusammenfahren, und sie wirbelte herum.
    Er war von durchschnittlicher Größe, dichtes braunes Haar hing über seinem Kragen, sein breites Lächeln zeigte ebenmäßigeweiße Zähne, und die belustigten grauen Augen waren von dunklen Wimpern gerahmt. Sein Gesicht unter dem breitrandigen Hut war ebenso zerknittert wie seine staubige braune Hose, das Hemd und der lange, weite Mantel. Seine geschmeidige Figur zeugte von Kraft und Lebendigkeit. Jessie begegnete einem strahlenden Blick und setzte ein vorsichtiges Lächeln auf. Sollte das Mr. Lawrence sein, würde es einen furchtbaren Krach geben, wenn ihre Brüder zurückkamen.
    »Sie sind Miss Searle?« Seine Augen wurden weit, als er sie von den Stiefeln bis zur Haube in Augenschein nahm.
    Sie richtete sich zu ihrer vollen Größe von einem Meter fünfzig auf und hielt seinem unverschämten Blick stand. »Die bin ich«, sagte sie hochmütig. »Und wen habe ich vor mir?«
    Unerschrocken zog er den Hut vor ihr. »Abel Cruickshank, zu Ihren Diensten, und wenn Sie erlauben, es ist mir ein Vergnügen, Ihre Bekanntschaft zu machen, Miss.«
    Jessie behielt sich ein Urteil vor, ob dieses Gefühl auf Gegenseitigkeit beruhte. »Nun, Mr. Cruickshank, dann sollten Sie sich lieber erklären, denn ich habe keine Ahnung, warum Sie mich angesprochen haben.« Sie wusste, dass sie ziemlich grimmig klang, doch man hatte sie überrumpelt, und er konnte alles Mögliche sein. Wo waren ihre Brüder, wenn man sie brauchte?
    »Tut mir leid, Missus, … Miss … Miss Searle«, stammelte er, plötzlich unsicher geworden.

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