Legenden der Traumzeit Roman
Tumbalong«, sagte sie mit allem Mut, den sie aufbringen konnte.
»Guten Tag, Missus«, murmelte er, und seine bernsteinfarbenen Augen beobachteten wachsam die Männer, während er ihren Händedruck flüchtig erwiderte.
»Jess, das ist nicht sicher. Du kommst mit uns.«
Sie drehte sich zu ihren Brüdern um. »Nein«, sagte sie bestimmt. »Ich werde mit Mr. Cruickshank und Tumbalong gehen und meine Pflicht in der Missionsschule tun, wo ich ohne Zweifel auf noch viel mehr Eingeborene treffen werde.«
John packte ihren Arm und zerrte sie außer Hörweite. »Aber da bist du allein und ohne Schutz – wer weiß, wozu dieser Wilde fähig ist. Ich verbiete es dir.«
Sie löste sich aus seinem Griff, wütend über sein unvernünftiges Verhalten. »Mr. Cruickshank hat mir zugesichert, dass ich in Sicherheit bin – vor ihm und Tumbalong –, und Mr. Lawrence hätte bestimmt keinen von beiden geschickt, wenn er sie als Bedrohung betrachtet hätte. Ich werde meinen Weg wie geplant fortsetzen, und mir wäre lieber, wenn du mir wenigstens die Höflichkeit erweisen würdest, mich meine eigenen Entscheidungen treffen zu lassen.«
»Du bist gerade erst neunzehn«, zischte er. »Und ich habe noch keine Frau getroffen, die eine vernünftige Entscheidung treffen kann, wenn sie Dummheiten im Kopf hat.«
»Ich mache Ihnen einen Vorschlag«, schaltete Abel sich ein. »Wie wäre es, wenn ich Miss Searle eines meiner Gewehre gebe? Sie kann es Tag und Nacht neben sich legen, falls Sie das beruhigt.«
»Das ist ein bewundernswerter Einfall«, erklärte Jessie schroff. Sie nahm die Waffe schwungvoll an sich, spürte das Gewicht undfolgte Mr. Criuckshanks Anweisungen, wie man nachprüfte, ob sie geladen war. Sie wandte sich wieder an ihre Brüder. »So, jetzt bin ich vollständig bewaffnet und zu allem bereit. Zufrieden?«
John und Daniel tauschten Blicke. »Eigentlich nicht«, murrte John. »Aber da du dich weigerst, mit uns zu kommen, müssen wir deine Entscheidung hinnehmen. Großmutter hatte recht – du bist unmöglich.«
»Nachdem wir das erledigt haben, wird es Zeit, dass wir uns auf den Weg machen. Lade die Truhe auf, Tumbalong, und nimm den Pferden die Fußfesseln ab! Ich sortiere inzwischen die Kühe.« Abel band die Tiere an die Seite des Wagens. »Verabschieden Sie sich, Miss Searle. Wir brechen auf.«
Jetzt, da der Augenblick der Trennung gekommen war, verzieh sie ihren Brüdern die Fehler und klammerte sich an sie, die aufsteigenden Tränen bekämpfend. »Bleibt gesund!«, flüsterte sie und küsste sie. »Schreibt mir an die Schule, auch wenn es nur eine Zeile ist, nur dass ich weiß, wie es euch geht.«
»Der Herr möge dich behüten, Jess!«, murmelte Daniel. »Vor dir liegt eine grässliche Reise, nach allem, was man so hört.«
»Vor euch auch.«
»Ich bin noch immer der Meinung, du solltest mit uns kommen«, sagte John stur, als er sie in die Höhe hob und an seine Brust drückte. »Wenigstens könnten wir dich im Auge behalten.«
»Lass mir mein Abenteuer, John«, bat sie.
Feierlich stellte er sie wieder auf die Füße. »Nur wenn du versprichst, in Kontakt zu bleiben und uns Bescheid zu geben, wenn du fortwillst.«
Sie nickte und drehte sich um. Abel Cruickshank saß bereits auf dem Wagen und hatte die Zügel in den Händen. Tumbalong saß auf einem Pferd, die anderen hatte er an Longen fest im Griff. Sie stellte einen Fuß auf die Radnabe, hielt sich an der Wagenseite fest und zog sich auf den Sitz. Abel schlug mit den Zügeln, und der Wagen rumpelte über das Pflaster. Jessie warf einenBlick zurück auf ihre Brüder und rang sich ein tapferes Lächeln ab. Sie winkten. Als die beiden schließlich außer Sichtweite waren, reckte Jessie entschlossen das Kinn und schaute auf den Weg vor ihnen.
Das war ihre Chance, sich zu beweisen. Sie konnte ein neues Leben weitab von der Armut und dem Hunger in Cornwall beginnen, einem Landstrich, der sehr unter der letzten Kartoffelmissernte litt; sie würde die Gelegenheit ergreifen, um in dieser tapferen, hellen Kolonie voranzukommen, und es bestimmt schaffen. Schließlich hatte ihre Großmutter den festen Glauben gehabt, dass sie dem Adel entstammten. Und jetzt ein Zeichen von Reue zu zeigen würde Schwäche bedeuten.
Lächelnd steckte sie eine dunkle Locke unter ihre Haube zurück und hielt sich am Wagenrand fest, während sie über den holperigen Boden schwankten. Ihre Großmutter hatte viel Phantasie gehabt und viele gute Geschichten erzählt, doch
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