Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Legenden der Traumzeit Roman

Legenden der Traumzeit Roman

Titel: Legenden der Traumzeit Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
Vom Netzwerk:
blutroten Trieben der Gummibäume und der rauen braunen Rinde der Araukarien.
    Ruby wurde geradezu schwindelig, als sie die köstlichen Düfte einsog und den Tanz des Lichts auf dem Wasserfall beobachtete. Diese friedliche Szene, die Wildnis jenseits der ordentlichen Strukturen in Parramatta und Sydney hätte sie sich nicht träumen lassen. Sie schaute James an, und das Herz ging ihr über. »Dafür lohnt sich die Angst, nicht wahr?«
    Er tupfte sich den Schweiß von der Stirn. »Wir haben noch einen langen Weg vor uns, und der Abstieg in die Täler wird genau so tückisch wie der Aufstieg.« Seine Augen betrachteten sie voller Liebe. »Aber du hast recht. Der Anblick ist erstaunlich.«  
    »Ich komme mir dabei so klein vor«, sagte sie und nahm die majestätische Aussicht erneut in sich auf. »Wie mutig die Forscher waren, die die lange Reise hierher unternommen und sicheinen Weg durch diese Wildnis gebahnt haben!« Ein Schauer überlief sie bei dem Gedanken, sich zu verirren. »Aber es ist trotz aller Pracht einsam hier.«
    James ergriff ihre Hand. »Dir kommen doch keine Zweifel, oder?«
    Ihr Pulsschlag raste bei seiner Berührung. »Kein bisschen. Ich bin nur dankbar, dass ich dich und die anderen bei mir habe.« Sie warf einen Blick auf ein dichtes Gebüsch.
    »Folgt sie uns noch?«, murmelte James.
    »Seitdem wir den Fluss überquert haben.«
    James runzelte die Stirn. »Hältst du es für klug, sie zu ermutigen und Nahrung für sie zurückzulassen? Krieger könnten bei ihr sein, die nur darauf warten, uns anzugreifen.«
    »Sie ist allein, da bin ich mir sicher, und ich lasse ihr etwas zu essen da, weil sie noch sehr jung und viel zu dünn ist.«
    »Aber was will sie? Und warum wandert sie allein herum?« James spähte in die Schatten. »Ihrer Kleidung nach zu urteilen war sie offenbar in Kontakt mit Siedlern oder Missionaren, doch die Zivilisation ist meilenweit entfernt.«
    »Mach nicht so ein wütendes Gesicht!«, ermahnte sie ihn leise. »Du jagst ihr noch Angst ein.«
    James seufzte ungehalten und nahm die Zügel auf. »Dein weiches Herz wird dich eines Tages noch in Schwierigkeiten bringen, aber vermutlich wirst du darauf bestehen, dass sie mit uns reist?«
    »Wir können sie nicht ignorieren. Oder meinst du, die anderen hätten was dagegen?«
    »Die Entscheidung liegt nicht bei ihnen. Aber es könnte Ärger geben, besonders mit denen aus dem Pentonville-Gefängnis.«
    Ruby hatte sich darüber keine Gedanken gemacht, doch wenn sie es sich recht überlegte, musste sie einsehen, dass es problematisch sein könnte, bedingt Strafentlassene in der Nähe eines jungen Mädchens zu haben. Andererseits, so argumentierte sie insgeheim, würde James sie beschützen.
    James zog an seinem Hut. »Wenn du ihr weiterhin die Hälfte deiner Essensrationen geben willst, dann muss sie es sich verdienen. Niemand bekommt auf dieser Reise eine Freifahrt.«
    Ihr Mann nahm seinen üblichen Platz vor dem Ochsenkarren ein. James war als freier Auswanderer nach Australien gekommen, der jüngste Sohn armer Pachtbauern. Wie viele andere hatte er geglaubt, Aborigines seien Wilde. Ruby hatte versucht, ihn umzustimmen, und obwohl er die Ältesten, die in der Nähe von Moonrakers lebten, um Rat für die geplante Reise gebeten hatte, glaubte sie, dass er nie gelernt hatte, ihnen vollends zu vertrauen.
    Während die Hunde die letzten Schafe zusammentrieben und der Reitertrupp langsam mit den Schatten der überhängenden Bäume verschmolz, war ihr klar, dass sie eine Entscheidung treffen musste. Sie kaute auf ihrer Lippe und erinnerte sich an die Spielgefährten ihrer Kindheit – dunkelhäutige Jungen und Mädchen, die ebenso zu Moonrakers gehörten wie sie. Sie waren zusammen aufgewachsen, hatten gemeinsam in den Schurschuppen und auf den Viehweiden gearbeitet und den Wollschur-Scheck gefeiert, der ihnen für ein weiteres Jahr Sicherheit gewährte. Ihre Großmutter Nell hatte ihr beigebracht, den Glauben der Eingeborenen zu achten, deren Fortschritt zu fördern und zu begreifen, dass deren Kenntnis über dieses uralte Land für die weißen Siedler von unschätzbarem Wert sei – wie konnte sie jetzt das Mädchen ignorieren, das ihnen so hartnäckig folgte?
    Dennoch hatte James nicht ganz unrecht. Den »Pentonvillians« – zwei der bedingt Strafentlassenen, die ihre Strafe im Pentonville-Gefängnis in England angetreten hatten – konnte man in der Nähe eines so jungen Mädchens nicht trauen, und sie fürchtete, sie könne es in

Weitere Kostenlose Bücher