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Legenden der Traumzeit Roman

Legenden der Traumzeit Roman

Titel: Legenden der Traumzeit Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
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wäre ideal«, stimmte sie zu.
    Abel grinste. »Ich komme früh – dann haben Sie Zeit genug, sich alles richtig anzusehen.« Er lief die Treppe hinab, kletterte auf den Wagen, winkte mit dem Hut und setzte das Pferd in Trab.
    Jessie schaute ihm nach, bis der Wagen außer Sichtweite war. Sie spürte weder Regen noch Kälte, denn Abels Lächeln hatte die Düsternis vertrieben. Einige Minuten vergingen, bis sie sich erinnerte, dass eine Klasse voller Kinder auf sie wartete. Sie rannte durch den Regen und hatte das dringende Bedürfnis, in den Pfützen zu tanzen.

Acht
    Kernow House, Watsons Bay, 29. Juni 1850
    F reddy sah der schwankenden Kutsche nach und wandte sich vom Fenster ab. Charlie und seine Mutter waren einkaufen gefahren und würden eine Zeitlang wegbleiben, Tante Gertrude hatte sich mit der Schneiderin zurückgezogen, die letzte Änderungen an ihrer Reisegarderobe vorzunehmen hatte, und Onkel Harry arbeitete sich durch die Rechnungsbücher. Seine Mama war an ihrem gewohnten Platz an Papas Bett. Er hatte das Haus praktisch für sich allein.
    Er stand in dem stillen Wohnzimmer und prägte sich die vertraute Umgebung ein – denn dieses Haus und was dazu gehörte, war alles, was er gekannt hatte, und es würden viele Jahre vergehen, bis er es wiedersah. Auf seinem Weg durch das Wohnzimmer in die Diele kam er an den Truhen und Kisten vorbei, die am nächsten Morgen zum Anleger gebracht werden sollten. Jetzt, da das Chaos der Packerei fast beendet war, überfiel ihn ein Gefühl der Endgültigkeit – man würde es sich nicht mehr anders überlegen oder die Pläne ändern. Das Schiff würde ablegen, und er würde nach England gehen – weit weg von der Heimat, seinen Eltern und einer Lebensweise, die er für unabänderlich gehalten hatte.
    So etwas wie Angst fuhr ihm wie ein Schlag in die Magengrube, und er rannte die Treppe hinauf, fest entschlossen, solche Empfindungen zu verbannen. Sein zwölfter Geburtstag war aufgrund der Krankheit seines Vaters eine ernste Angelegenheit gewesen, und Jungen in seinem Alter weinten nicht – auch wennsie noch so viel Angst hatten. Dennoch, als er auf Zehenspitzen am Schlafzimmer seiner Eltern vorbeischlich, hatte er gegen das überwältigende Bedürfnis anzukämpfen, sich ihnen auf Gedeih und Verderb auszuliefern und sie anzuflehen, bleiben zu dürfen.
    Das Heiligtum des alten Kinderzimmers auf dem Speicher begrüßte ihn, und als er die Laterne anzündete, stellte sich ein Gefühl der Ruhe ein. Da standen die vertrauten Kisten, das Durcheinander aufgegebener Spielzeuge und Möbel, die stabilen Säulen der Schornsteine und die dunklen Dachsparren. Er ging über den abgetretenen Boden zum Schaukelpferd und streichelte die Überbleibsel der blonden Mähne. Dabei dachte er an die vielen Rennen, die er auf dem verblassten Sattel geritten war. Pegasus hatte einst mit seinem dunkelroten Sattel, mit fliegender Mähne und Schweif so imposant gewirkt; jetzt wirkte er ziemlich verloren und war von Motten zerfressen, die Steigbügel waren schwarz angelaufen, die Zügel fehlten. Er stieß es an, die Kufen quietschten, und Pegasus’ Schatten bewegte sich an der Wand – ein Andenken an die Kindheit, an Zeiten, in denen alles noch einfach war.
    Er hielt das Pferd an und wandte sich seufzend ab. Er betrachtete die Truhen, die als ungeeignet für eine Reise nach England galten, und wühlte, wie schon so oft vorher, zerstreut darin herum. Er stieß auf die übliche Sammlung aus alter Kleidung, Vorhängen und Leinentüchern und verlor rasch das Interesse. Er war schon im Begriff, den Deckel zu schließen, als er eine kleine Zinnschatulle sah, die ihm noch nie aufgefallen war. Aufgeregt zog er sie hervor. Die Metallspange glitzerte im Laternenschein, ein Beweis dafür, dass sie erst vor kurzem verstaut worden war. Doch als er vorsichtig den Zapfen herauszog und den Deckel aufklappte, wurde er bitterlich enttäuscht: Sie war leer.
    Still setzte er sich, tief in Gedanken versunken. Dass die Schatulle leer war, spielte eigentlich keine Rolle, denn sie war groß genug für seine Zwecke. Er ging zur verborgenen Nischehinüber und drückte auf die Klinke. Er hatte vorgehabt, das Heft woanders zu verstecken, war jedoch durch andere Dinge zu sehr abgelenkt worden; nun hoffte er, dass es noch da war.
    Viele Monate war es her, seit er zum letzten Mal in diesen Zwischenraum gekrochen war, und er stellte fest, er war ziemlich eng. Er schwitzte vor Anstrengung und war sich bewusst, wie leicht man

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