Legenden der Traumzeit Roman
hatten Glück, sie heute hier anzutreffen.«
»Wir gehen lieber wieder zurück«, sagte sie kleinlaut. »Hilda wird sich fragen, was mit uns ist.«
»Werden Sie wiederkommen?«, fragte er auf dem Rückweg zum Haus.
»Wenn ich darf«, sagte sie leise.
»Sie sind jederzeit willkommen.« Er nahm ihre Hand und half ihr über einen Bach, der durch die Weide mäanderte. Auf der anderen Seite ließ er nicht los, und er schaute ihr mit unergründlicher Miene in die Augen. »Ich weiß, es mag schwierig für Sie sein herzukommen, Miss Searle, aber ich möchte gern, dass Sie es versuchen.«
Jessie spürte, wie ihr die Hitze ins Gesicht stieg, als seine Finger sich um ihre Hände schlossen und sie sich wie von einer unsichtbaren Kordel zueinander hingezogen fühlten. »Mr. Lawrence wird es wohl nicht erlauben.«
»Dann werde ich ihn darum bitten.«
»Und wenn er ablehnt?«
»Dann frage ich wieder. Bleibt er stur, dann muss Ihr nächster Besuch warten, bis er das Tal verlässt.«
»Ich war hinterlistig genug, Mr. Cruickshank, und wenn er vom heutigen Besuch erfährt, dann hat er allen Grund, mich zu entlassen.«
»Er kann Sie nicht entlassen, nur weil Sie etwas so … so …«
Sie entzog ihm ihre Hand. »Er hat sehr deutlich gemacht, dass er das kann.«
Er blieb stur. »Immerhin ist er damit einverstanden, dass Sie die von Schmidts besuchen.«
»Ich besuche nur Frieda, und das nur, weil sie die Vorsitzende des Wohlfahrtsausschusses der Kirche ist.«
»Wohingegen ich nur ein arbeitender Winzer bin.«
Sie hörte die Bitterkeit heraus. »Das hat damit nichts zu tun.«
Seine Augen blitzten. »Ich glaube doch.«
Sie hielt seinem Blick stand. »Für mich nicht.«
»Werden Sie ihn also um Erlaubnis bitten?«
»Bitte, verderben Sie den Tag nicht, indem Sie mich schikanieren. Davon habe ich bei Mr. Lawrence bereits genug.«
Er seufzte tief, schlug seinen Hut an den Schenkel und setzte ihn auf. »Verzeihung. Ich wollte nicht so lospoltern, aber ich hatte gehofft, Ihnen würde mein Anblick so gefallen, dass sie wiederkommen. Anscheinend habe ich mich getäuscht.«
»Sie vermuten zu viel, Mr. Cruickshank«, schalt sie ihn leise, »und falls Sie gern ein Kompliment hören wollen, dann muss ich Sie enttäuschen.«
Er grinste. »War ja nur ein Versuch, den Sie einem Kerl nicht verübeln dürfen.« Seine Miene wurde ernst. »Was ich sage, ist vielleicht fehl am Platz, Miss Searle«, begann er zögernd, »und wenn es Sie kränkt, dann werde ich es nie wieder erwähnen.«
Jessie merkte, dass er sich etwas von der Seele reden musste. »Fahren Sie fort«, forderte sie ihn auf.
Er wurde rot und schaute in die Ferne. »Ich kann es mit von Schmidt nicht aufnehmen, aber ich hoffe, Ihnen macht meine Gesellschaft Spaß.«
Jessie nickte und wollte schon antworten, doch Abel schien fest entschlossen, das, was er sagen wollte, zu Ende zu führen, und beeilte sich hinzuzufügen: »Ich habe sehr wenig Geld – es ist alles in das Land und die Ernte investiert. Ich arbeite für von Schmidt, um so viel einzubringen, dass ich davon leben kann, und ich pflege dieses Haus, wenn ich kann. Tumbalong und seinStamm packen mit an, und obwohl es in manchen Gegenden nicht gern gesehen wird, betrachte ich sie als Familie und sorge für sie, so gut ich kann.« Er hielt inne, und es war deutlich, dass er vor den nächsten Worten zauderte. »Ich möchte, dass Sie wissen, wer ich bin, bevor Ihnen die Gerüchte zu Ohren kommen.« Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, sein Blick war ausweichend. »Wissen Sie, ich habe keine besonders ehrenhafte Abstammung, daher würde ich Ihnen keinen Vorwurf machen, wenn Sie mich nicht wieder besuchten.«
Jessie war neugierig. »Wie das?«
»Meine Urgroßeltern waren Sträflinge, ebenso mein Vater. Nichts allzu Ernstes«, fügte er hastig hinzu, »kleine Diebstähle, Fälschungen und etwas Schmuggel, aber der Sträflingsmakel ist an mich weitergegeben worden, und solange Australien als Sträflingskolonie betrachtet wird, setzt sich der Makel fort.«
»Aber Ihnen gehört dieses Land – Sie sind ein freier Mann.«
»Ich bin zwar frei, aber ich stamme von Sträflingen ab und bin deshalb an die Vergangenheit meiner Familie gekettet.« Er redete trotz ihres Protests weiter. »Männer wie Gerhardt von Schmidt werden immer zur Elite gehören. Seine Eltern kamen als freie Bürger hierher, aufgrund ihres Geldes und ihrer Bildung waren sie Teil der herrschenden Klasse. Ich könnte doppelt so viel Geld und
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