Legionare
Garde, verstärkt um zwei Infanterie-Schildronen, trabte den Söldnern entgegen, die sich auf der Landstraße näherten. Alle zusammen bildeten eine für Dars Empfinden nicht gerade kleine Streitmacht.
Zunächst ging sie davon aus, dass sie sofort angriffen, doch machten sie keinerlei Anstalten. Die Söldner verfolgten die Orks, allerdings nur langsam.
Unterdessen ließ Dar das Marschtempo erhöhen. Der Abstand zu den Menschen wuchs. Darüber freute sie sich, bis sie beobachtete, dass die Mannen des Königs die Richtung änderten und sich im Eilmarsch entfernten. Auch Sevren bemerkte es. Seine Miene beunruhigte Dar. »Was ist denn?«, fragte sie.
»Ich bin ein Trottel«, antwortete Sevren. »Sie werden uns nicht auf irgendeinem Hügel angreifen. Sie besetzen den Pass und versperren uns den Weg. Wir sollten sie abfangen, ehe es dazu kommt.«
»Grunat dati?«, fragte die Königin von der Trage her. Heute kämpfen?
»Hai, Große Mutter«, sagte Dar. »Dieser Washavoki-Sohn ist kampferfahren. Er meint, es wäre klug, die Washavoki zu töten, bevor sie zum Kampf bereit sind.«
»Söhne geben Müttern keine Ratschläge«, stellte die Königin in ihrer Muttersprache klar. »Heute wird nicht mehr getötet. Weit Wichtigeres soll geschehen.«
Dar blieb nichts anderes übrig, als Muth Mauk zu gehorchen, aber insgeheim hatte sie Zweifel. Der bevorstehende
Kampf entscheidet über unser Los. Was soll da wichtiger sein? Ihr fiel nichts ein. Selbst wenn die Äußerungen der Königin nicht auf irrigen Gedanken beruhten, musste man ihre Entscheidung unter den Gesichtspunkten der Kriegskunst wohl für fragwürdig halten. Sie erinnerte Dar an Murdant Teegs Behauptung, die Orks verlören Gefechte, weil es ihnen an List und Tücke mangelte.
»Was hat die Königin gesagt?«, erkundigte sich Sevren.
»Wir ersteigen den Hügel«, gab Dar ihm Auskunft. »Heute finden keine Kämpfe statt.«
»Das ist doch Unfug«, entgegnete Sevren. »Noch können wir die Streitmacht schlagen. Aber bald wird sie erheblich stärker sein, und dann ist es vielleicht aus. Der Pass ist schmal; der Feind kann höheres Gelände besetzen. Entsinnst du dich noch ans Tal der Kiefern?«
»Ja, aber der Entschluss der Königin steht fest.« Dar wurde leiser. »Noch kannst du gehen.«
»Ich bleibe lieber bei dir.«
»Dann bist du ein Narr.«
Sevren lächelte versonnen. »Das ist ja nichts Neues.«
Die Orks erreichten die Hügelkuppe im Verlauf des Vormittags. Dort hatte der Wind einen Großteil des Schnees davongeweht. Zuerst sammelten sie Steine und legten Muth’las Umarmung an, dann schlugen sie Strohzelte auf. Später ging es im Lager erst einmal friedlich zu. Einige Söhne besorgten Holz für die Frauen, die sich unter Verwendung der geringen Vorräte ans Kochen machten. Eine Anzahl Orks hielt Wache, während der Rest sich in die Zelte begab. Muth Mauk nahm ungeachtet der Kälte ein Sonnenbad.
Dar hingegen war alles andere als ruhig. Die Gelassenheit im Ork-Lager bildete einen zu starken Gegensatz zur Betriebsamkeit der königlichen Söldner. Vom Hügel aus konnte Dar
beobachten, dass sie sich auf einen Kampf vorbereiteten. Die feindlichen Abteilungen zogen tatsächlich nach Norden, zum Pass. Noch waren sie nicht ganz außer Sicht, da kam aus dem Süden, auf der Landstraße, weitere Kavallerie. Auch sie hielt auf den Pass zu. Dar hielt es für sicher, dass sie sich in Kürze mit den anderen Abteilungen vereinte.
Angesichts der geschickten Art, in der das Heer des Königs in Stellung ging, packte ein Vorgefühl nahen Unheils Dar, und sie gelangte zu der Auffassung, dass sie einen blutigen Heimweg haben und ihre Erfolgsaussichten sich mit der Zeit verschlechtern würden. Sie hielt es für unbedingt nötig, unverzüglich zum Angriff überzugehen, und rang sich schließlich zu dem Versuch durch, die Königin davon zu überzeugen.
Muth Mauk saß noch vor ihrem Strohzelt. Sie schlotterte. Das Atmen bereitete ihr Mühe, aber sie lächelte. »Lang ist es her, dass ich unter Muth’las Goldauge saß und ihren Atem spürte.«
»Du wirst noch viele Tage darin schwelgen können«, sagte Dar. »Doch solltest du Wind und Kälte meiden.«
»Hat Muth’la dir Visionen dieser ›vielen Tage‹ gesandt?«
»Thwa, Tante.«
»Ich dachte es mir«, sagte die Königin. »Darum will ich den heutigen Tag auskosten.«
Dar verbeugte sich sehr tief. »Muth Mauk, ich habe sorgenvolle Gedanken. Darf ich sie aussprechen?«
»Bitte.«
»Ich glaube, wir sollten noch heute den
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