Legionare
mehr vor ihnen.«
»Ich weiß nicht, ob das möglich ist …«
»Es gibt einen Ork, der mir ein guter Freund geworden ist. Er heißt Kovok-mah. Er spricht die Menschensprache und kann dir den Sanftmut seines Volkes verdeutlichen. Lern ihn kennen.« Dar stöhnte. »Aber beeile dich! Meine Schmerzen werden schlimmer.«
Als Girta sah, welche Blässe Dars Gesicht und Lippen überzog, verspürte sie endlich den Drang zur Eile. »Mein Herz sagt mir, dass du die Wahrheit sprichst. Ich will diesen Kovok-mah später kennen lernen. Nun erkläre mir, was ich tun soll.«
»Lass uns einen Vertrag schließen. Die Orks werden zu deinem und dem Schutz deines Sohns eine Leibwache stellen. Du schwörst, sie nur zu Verteidigungszwecken einzusetzen, niemals zu Eroberungen oder Raubzügen. Ihre Unterbringung an deinem Hof muss mit orkischen Gepflogenheiten übereinstimmen, damit Mütter sie besuchen können, um ihnen Nahrung und Anleitung zu gewähren. Und versprich, die Dienste der gebrandmarkten Frauen ehrenvoll anzuerkennen, sie alle zu belohnen und sie aus der Pflicht zu entlassen.«
»Das sind leicht erfüllbare Bedingungen«, sagte Girta. »Warum bist du so großmütig?«
»Diese Bedingungen werden den Frieden sichern, und Frieden ist zu kostbar, um zu feilschen.«
Girta küsste Dar auf die klamme Stirn. »Dann wollen wir das Übereinkommen gemeinsam bekannt geben.«
Zuerst hielt Dar den Orks eine Ansprache und erläuterte ihnen die Übereinkunft in ihrer Muttersprache. Ihre tödliche Wunde verschwieg sie. Stattdessen bemühte sie sich, obwohl es sehr anstrengend war, gesund und munter zu erscheinen.
Danach ergriff Girta das Wort. Mittlerweile hatten sich
Höflinge unter die Gardisten gemischt. Viele belächelten die Pläne der als unerfahren geltenden Regentin. Doch sobald Girta verstummte, versicherten die Orks der »Großen Washavoki-Mutter« mit Donnerstimme ihre Treue und zeigten, dass die Witwe des Königs plötzlich starke Verbündete hatte. Die Männer, die sich stets auf die Seite der Macht schlugen, änderten sofort ihre Einstellung, und alle, die Frieden zu schätzen wussten, fassten Hoffnung.
Danach wurde der Vertrag auf Pergament festgehalten, und man entsandte Herolde, um die Neuigkeit überall zu verkünden. Als den Förmlichkeiten endlich Genüge getan war, fühlte Dar sich vollends benommen.
Die Schmerzen in ihrer Brust hatten sich weiter verschlimmert. Erschöpft gab sie den Kampf gegen das Gift auf und ließ sich in einen Lehnstuhl sinken. Sie schloss die Lider. Bald glaubte sie, wieder mit Muth-pah in der finsteren Höhle zu sein. Sie hatte das Bild des Loches in ihrer Brust vor Augen. Es wurde größer, und ihr Ich floss ins Nichts hinaus. Doch wie damals in der Höhle hatte sie den Eindruck, dass sich noch etwas – etwas Erhabenes – in ihr befand. Fathma! Ruckartig öffnete Dar die Augen. Wenn ich hier sterbe, geht das Fathma von Neuem verloren.
Sie raffte sich auf, machte Königin Girta ausfindig und zog sie beiseite. »Ich darf auf keinen Fall hier sterben«, flüsterte sie ihr zu. »Ich muss heim.«
»Ich lasse dich von einem Ehrengeleit hinbringen.«
»Für Ehrungen fehlt die Zeit. Ich brauche ein schnelles Pferd. Und einen tüchtigen Reiter.« Dar keuchte, als ein Stich durch ihre Brust fuhr. »Sevren. Der Gardist, der mir geholfen hat. Er soll kommen. Bitte, beeil dich.«
Die anschließenden Ereignisse erlebte Dar wie eine Abfolge von Träumen. Augenblicken der Klarheit folgten solche
der Benommenheit. Irgendwann merkte sie, dass sie auf einem Bett lag. Nahebei unterhielten sich Menschen mit leiser Stimme. Sie sah Girta und Sevren, beide aber nur verschwommen. Als Nächstes gewahrte sie Zna-yat, der sich über sie beugte.
»Muth Mauk, atham dava-dovak?« Große Mutter, was ist geschehen?
Dar antwortete auf Orkisch. »Der Washavoki-Zauberer … Böser Zauber … Erzähle es niemandem … Ich muss heim, die Matriarchin sprechen.«
»Ich bringe dich zu ihr.«
»Thwa. Ein Pferd ist schneller.« Ein Stöhnen entrang sich Dars Brust. »Bleib hier und sorge dafür, dass mein Wille geschieht. «
Zna-yat verbeugte sich tief. »Sehr wohl.«
Dar versuchte zu lächeln, doch die Beschwerden verzerrten ihre Gesichtszüge. Ihr Blick verschleierte sich, deshalb konnte sie den Kummer in Zna-yats Miene nicht erkennen.
Leute versammelten sich um sie. Man hob sie hoch und trug sie zu den Stallungen. Dort hüllte jemand sie in einen dicken Umhang. Sie wurde zu einem Reiter aufs Pferd gesetzt.
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