Legionare
zurückfuhr. Er berührte ihn noch einmal. Heraus sprang eine dünne silberne Ahle. Dar erkannte auf ihr eine grünlich braune Verfärbung. Die Spitze ist vergiftet.
»Also soll auch ich sterben«, sagte sie.
»Jawohl, und leider viel schneller, als mir lieb ist.«
Othar stieß in ihre Richtung. Dar sprang zurück, um ihm zu entgehen. Sie benutzte den Knochensack als Schild, da sie vermutete, dass er nicht in ihn hineinzustechen wagte. Da er sofort vorsichtiger zustach, schlussfolgerte sie, dass ihre Vermutung stimmte. Trotzdem bedrängte Othar sie unablässig. Dar wich in Richtung des toten Königs zurück. Gleich darauf stand sie in seinem Blut.
Unversehens wurde der Knochensack schwerer und zog ihre Arme nach unten. Othar nahm die Gelegenheit wahr und stieß nach Dars Brust. Erneut konnte Dar dem Stich seitlich ausweichen, doch sie spürte, dass die Ahle ihre Haut ritzte. Othar triumphierte. »Ha! Du bist so gut wie tot.«
Dar merkte es selbst. Schon spürte sie Beschwerden in der Brust. Die Schmerzen schienen gleichermaßen heiß wie kalt zu sein. Sie erinnerte sich an die Vision, die sie im Dunkeln mit Muth-pah gehabt hatte, und verstand nun ihre wahre Bedeutung. Der Sitz der Schmerzen sollte zu einem Loch werden, durch den das Leben aus ihr herausglitt. Ich habe den Kampf verloren, dachte sie.
Doch nun begriff sie, wie sie Othar eine Niederlage beibringen konnte. Mit aller Kraft schleuderte sie den Knochensack in den Kamin. Er fiel ins Feuer.
Augenblicklich schlug Othars Triumph in Entsetzen um. Er eilte zum Kamin und langte mit den Händen in die Glut, um den Sack herauszuziehen. Dabei riss der Sackboden auf, und die Knochen purzelten in die Flammen.
Othar schrie. Sein Geschrei wurde immer gellender, bis es sich zu einem schrillen, unirdischen, grässlich anzuhörenden Kreischen steigerte. Seine Gestalt zuckte, seine Haut warf Blasen und schwärzte sich. Ihm schmolz das Fleisch von den Fingern, deren Knochen verkohlt sichtbar wurden, bis sie Glied um Glied abfielen. Der Zauberer wand sich und heulte ohne Unterlass.
Dar konnte nicht verstehen, wieso er noch lebte, aber allem Anschein nach war es so. Seine Haut verkohlte immer stärker und schrumpfte zusammen, bis seine großen Augen aus einem verbrannten Leichnam zu stieren schienen. Seine Stimme sank zu einem leisen Jaulen herab, das trotzdem keineswegs weniger grausig klang.
Dar senkte den Blick. Sie stand in der Blutlache. Das Blut dampfte. Sie zog den Schluss, dass sie, falls sie die Blutlache verließ, das gleiche Schicksal erleiden würde wie der Zauberer. Sie musste warten, bis die Kraft der Magie verpuffte. Das geschah, als der letzte Zauberknochen zu Asche zerfiel.
Nun erst nahmen Othars Zuckungen ein Ende. Die Blutlache kühlte ab. Dar lenkte die Schritte aus dem karmesinroten Schutzbann und öffnete ihr Mieder, um ihre Verletzung zu untersuchen. Der Kratzer hatte ihre Haut nur geringfügig aufgeschlitzt.
»Wie merkwürdig«, sagte sie in der nun wieder stillen Kammer, »dass eine solche Kleinigkeit mich töten soll.«
41
DAR ERWARTETE IHREN baldigen Tod. Doch die Schmerzen breiteten sich von der vergifteten Wunde nicht schnell aus. Dar blieb vorerst am Leben. Sie fasste Hoffnung, vielleicht noch dies und jenes erreichen zu können. Und es flößte ihr den Mut einer Todgeweihten ein.
Sie läutete das Glöckchen, um anzuzeigen, dass die Verhandlungen vorüber waren, und stellte sich an die Tür. Sie machte sich darauf gefasst, dass der Tod des Königs vermutlich den unverzüglichen Ausbruch eines Gefechts zur Folge hatte.
Die beiden Schlösser knackten. Der Haupttolum der Garde und Zna-yat lugten herein. Der Haupttolum fand als Erster Worte. »Was ist das für ein Verrat?!« Er wollte sein Schwert zücken, doch bevor es ihm gelang, packte Zna-yat seinen Arm.
»Ja, es ist Verrat«, bestätigte Dar. »Aber der Verräter ist schon tot. Die eigenen Zauberkünste haben ihn umgebracht.«
»Lügen!«, schnauzte der Haupttolum, den Zna-yat noch immer festhielt. Dar bemerkte, dass die Orks und Gardisten hinter ihnen unruhig wurden.
»Bevor du nach Vergeltung rufst, schau dich um«, empfahl Dar. »Sieht das etwa nach meinem Werk aus?«
Die geschrumpfte Gestalt des Zauberers war dermaßen entstellt, dass er kaum noch einem Menschen ähnelte. Auch der tote König wirkte wie das Opfer eines unnatürlichen Geschehens. Die Blutlache war verdunstet; der Schnitt an Kregants Hals versengt und geschwärzt, als hätte ein Blitz ihn
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