Legionare
Dar fühlte seinen Arm um ihre Hüften. »Sevren?«, raunte sie.
»Ja, ich bin’s.«
»Musst … schnell … reiten.«
»Ich weiß«, sagte Sevren mit Zärtlichkeit und Sorge in der Stimme. »Wenn die Landstraße frei ist, kannst du gegen Morgen zu Hause sein.«
Dar wollte noch etwas sagen, doch die Welt rings um sie schien sich aufzulösen. Sie merkte es kaum noch, wie Skymere in Galopp verfiel.
In einem mit Kerzen hell erleuchteten Raum starrte der junge Kregant III. den riesigen Ork an, der auf dem Fußboden
hockte. Um ihn zu beruhigen, streichelte Königin Girta dem Prinzen den Schopf. Sie sah, dass er zum ersten Mal seit Jahren wieder am Daumen lutschte. »Mein Lieber«, sagte sie und versuchte das Zittern in ihrer Stimme zu unterbinden, »das ist Kovok-mah. Er ist unser Freund.«
Der Prinz schwieg.
»Für einen so Kleinen muss ich sehr groß aussehen«, sagte Kovok-mah.
Königin Girta hatte nicht weniger Furcht als ihr Sohn. Inzwischen hegte sie Bedenken gegen den abgeschlossenen Vertrag. Sind diese Orks tatsächlich besser als Othar?, überlegte sie. Trotzdem wollte sie um ihres Sohnes willen die Haltung bewahren. »Du siehst auch für mich groß aus. Ich habe noch nie jemanden deiner Art von Nahem gesehen.« Sie entsann sich, gehört zu haben, dass Orks Furcht riechen konnten, deswegen hielt sie es für angebracht, offen zu sein. »Ein wenig bangt mir vor dir.«
»Auch Dargu hatte Angst, als wir uns das erste Mal sahen«, sagte Kovok-mah. »Dann wurde sie wütend.«
»Dargu?«
»Sie ist jetzt unsere Große Mutter. Damals war sie nur Dargu. Ihr Name bedeutet Wiesel.« Kovok-mah kräuselte die Lippen.
Girta wusste nicht, was sie von seinem erschreckenden Mienenspiel halten sollte. »Ich kann verstehen, wieso man ihr diesen Namen gibt«, antwortete sie; für sie war der Name ein böses Omen. »Ach, könnte ich doch noch einmal mit ihr reden.«
»Ich glaube, sie wird dich oft besuchen.«
»Wie denn das? Ich bezweifle, dass sie nach Hause kommt, bevor …« Girtas Stimme verklang.
»Bevor was?«, fragte Kovok-mah.
»Bevor das Gift sie tötet.«
»Gift? Welches Gift?«
Als Girta sah, dass der Ork nervös wurde, nahm ihre Furcht zu. »Ich dachte, du weißt, dass der Zauberer sie mit einer vergifteten Klinge gestochen hat.«
»Kann ich die Klinge sehen?«, fragte Kovok-mah.
Girta schickte einen Lakaien, der die Waffe holen sollte. Dann wandte sie sich wieder an Kovok-mah. »Hat sie euch nichts erzählt?«
Kovok-mah schüttelte den Kopf. »Schmerzen hat Dargu immer verheimlicht.«
Als Girta die Erschütterung in seinem Blick erkannte, wurde ihr etwas Verblüffendes klar. »Du hegst Gefühle für sie!«
»Hai, sie erfüllt meinen Brustkorb, obwohl …«
Der Lakai kehrte mit Othars Waffe zurück. Die vergiftete Spitze ragte noch heraus. Kovok-mah beschnupperte sie. »Ich kenne dieses Kraut«, sagte er. »Dieser Zauber ist stark und böse. Jetzt verstehe ich Dargus Eile. Hast du ihre Wunde gesehen?«
»Nein«, gab die Königin Auskunft.
»Ich habe wenig Hoffnung, aber wenig ist mehr als nichts.« Kovok-mah machte eine tiefe Verbeugung. »Vergib mir, Große Washavoki-Mutter, aber ich muss Dargu folgen.«
»Wird sie überleben?«
»Vielleicht lange genug.«
»Lange genug wofür?«
Kovok-mah stand auf, seine Gedanken beschäftigten sich schon mit anderen Angelegenheiten. »Vielleicht. Vielleicht. Aber nur wenn ich mich beeile.«
42
SEVREN TRIEB SKYMERE so heftig an, wie er es wagte. Zwar glaubte er, dass nur Geschwindigkeit Dar retten konnte, doch war ihm auch bewusst, dass ein lahmendes Pferd ihr Verderben bedeutete.
Es hatte auch zu seiner Ausbildung gehört, Verletzte vom Schlachtfeld zu befördern, daher hielt er, wie er es gelernt hatte, Dar beim Reiten vor sich auf dem Pferd. Ihre Wange ruhte an seiner Brust. Doch nur ihr Körper war ihm nahe. Ihr Geist war fern. Sie murmelte vor sich hin, meist auf Orkisch. Des Öfteren wiederholte sie das Wort »Fathma«, doch Sevren wusste nicht, was es bedeutete.
Manchmal sagte er etwas zu ihr, etwa »Halt aus« oder »Wir sind bald da«. Aber die Worte kamen nicht von Herzen. Wie kann ich einer Königin sagen, dass ich sie liebe? Sie steht jetzt weit über mir. Dar war für ihn fast so etwas wie das Gehöft in den Hügeln Averens geworden – ein schöner, doch unerreichbarer Traum. Sevren befürchtete, dass der Traum in Kürze sterben würde. Dieser Gedanke verleitete ihn, sein Reittier noch schonungsloser anzutreiben.
Er war über die
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