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Legionare

Legionare

Titel: Legionare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howell Morgan
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nicht. Er war so taub, dass der einzige Beweis seiner Existenz ein Schmerz unterhalb ihrer Brüste war. Er fühlte sich heiß und kalt zugleich an. Der Schmerz breitete sich aus. Dar sah vor ihrem inneren Auge ein Loch in ihrem Brustkorb, das immer größer wurde. Der Kern ihres Ichs schien aus ihm heraus in die schwarze Leere zu strömen. Als es sich auflöste, nahm Dar in ihrem Inneren etwas anderes wahr. Sie wusste nicht, um was es sich handelte, doch sie wusste, dass es sehr kostbar war. »… muss sie retten …«, murmelte sie. Dann war sie nur noch von Leere umgeben.

18

    JEMAND SCHÜTTETE WASSER auf ihren Leib. Obwohl kalt, war es ein angenehmes Gefühl. Dar öffnete die Augen. Sie lag vor der Höhle unter einem dunklen Himmel. Muth-pah beugte sich über sie; sie hielt einen Kupferbehälter in der Hand. »Tava, Dargu«, sagte sie. »Du bist zurückgekehrt.«
    Dar schaute sich verwirrt um. »Was ist passiert? Ich kann mich an nichts erinnern. Nur an …« Sie tastete ihren Brustkorb nach einer Wunde ab, fand jedoch nichts dergleichen. »Ich dachte, ich müsste sterben.«
    »Der Tod hat von dir gekostet«, sagte Muth-pah, »aber er hat dich nicht verschluckt. Du hast die Prüfung bestanden.«
    »Welche Prüfung?«
    »Man sagt, dass Washavoki oft Worte sprechen, die keinen Sinn ergeben.«
    »Solche Worte nennt man ›Lügen‹. Hast du geglaubt, ich hätte gelogen?«
    »Als du von Velasah-pah erzählt hast, musste ich wissen, ob es Lügen waren. Ich musste wissen, ob er dich zu uns geschickt hat.«

    »Hat er nicht«, sagte Dar.
    »Er hat gesagt, du sollst deinem Brustkorb folgen. Deswegen bist du gekommen.«
    Dar konnte sich nicht daran erinnern, Muth-pah von Velesa-pahs Ratschlag erzählt zu haben. »Dann hast du mein Leben also deswegen verschont«, sagte sie. »Um mich im Dunkel zu befragen.«
    »Früher war die Pah-Sippe die Sippe der Königin. Als die Königin Velasa-pahs Warnungen in den Wind schlug, war unser Schicksal besiegelt. Deswegen leben wir vergessen in dieser Gegend. Wir wurden dazu verurteilt, nach den Washavoki Ausschau zu halten und zu warten.«
    »Warten? Worauf?«
    Mut-pah schaute Dar grüblerisch an. Allem Anschein nach wägte sie ihre Worte genau ab, denn es dauerte eine Weile, bis sie antwortete. »Muth’la schenkt zwar Klugheit, doch sie ist selten großzügig. Ich habe weniger erfahren als erhofft und verstehe längst nicht alles. Aber eins weiß ich: Die Welt hat sich verändert.« Sie nahm Dars Hand und verbeugte sich vor ihr. »Shashav, Dargu.«
    »Ich kann mich nicht erinnern, etwas gesagt zu haben. Ich erinnere mich nur an einen Schmerz.«
    »Wenn du dich an ihn erinnerst, war er eine Vision Muth’las«, erwiderte die Matriarchin. »Höre auf ihre Botschaft. «
    Dar schwieg. Bisher waren alle ihre Visionen beängstigend und geheimnisvoll gewesen – und die hier ganz besonders. Dar stand auf, zog sich an und folgte Muth-pah zum Familiensitz. Dort erkannte sie die Bedeutung ihres Ausflugs in die Finsternis, denn die ganze Sippe wartete vor dem Eingang auf ihre Rückkehr. Eine erwartungsvolle Stille begrüßte sie. Dann ergriff die Matriarchin das Wort. »Velasa-pah sagt, die Welt
hat sich verändert.« Ein Murmeln erhob sich aus der Menge und erstarb. »Die Söhne werden nie wieder Tod verbreiten. Heute werden wir die Schädel zeremoniell verbrennen und unseren Blick nach Osten richten.«
    Dar hatte den Eindruck, dass Velasa-pah sie geschickt hatte, um seine Sippe zu informieren, dass der Kobold-Krieg endlich vorbei war. Dieses Wissen könnte die Kostbarkeit in mir gewesen sein, dachte sie. Vielleicht ist diese Nachricht meiner Brust entströmt. Dar hieß diese Interpretation ihres Erlebnisses herzlich willkommen. Sie schien durch die Freude bestätigt zu werden, die Muth-pahs Bekanntmachung auslöste. Mütter und Söhne strahlten, als sie erkannten, dass die anstrengenden und nutzlosen Wachgänge nun der Vergangenheit angehörten.
    Als Dar zuschaute, wie die Sippe sich aufgrund der Neuigkeit jubelnd zerstreute, fühlte sie sich müde und benommen. Es dauerte eine Weile, bis sie bemerkte, dass Kovok-mah wie ein artiger Sohn auf sie wartete. Sie ging mit stockenden Schritten zu ihm hinüber, um seine Hand zu nehmen und an ihrer Brust zu reiben. »Ich bin sehr müde«, sagte sie, »aber ich möchte doch allein mit dir sein.«
     
    Vier Tage später verließen Dar und ihre Begleiter das Gehöft der Pah-Sippe. In diesem kurzen Zeitraum hatte Muth-pahs Bekanntmachung alles

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