Legionare
finden. Die Kobold-Kriege waren längst vorbei, aber noch immer verdunkelte ihr Schatten das Leben.
Während Dar auf die Rückkehr ihrer Gefährten wartete, passte sie sich dem Leben an. Sie arbeitete auf den Feldern, badete mit den Müttern, aß mit ihnen und schlief allein. Sie nahm zwar am Sippenleben teil, war aber auf eine unterschwellige Weise von ihm ausgeschlossen. Gespräche verstummten, wenn sie eintrat. Zwar waren die Mütter höflich, wenn sie mit ihr redeten, aber auch reserviert. Dar spürte, alle wussten, dass etwas Wichtiges passieren würde; etwas, das sie betraf.
Man erwartete den Wachtrupp pünktlich zu Bah Niti zurück, wenn das Fest stattfand. An diesem Tag arbeiteten die Mütter nicht auf den Feldern. Viele – auch Dar – sammelten Holz für mehrere Feuer. Andere beschäftigten sich mit der Zubereitung eines besonderen Mahls. Den ganzen Tag über nahm Dar eine zunehmende Aufregung wahr, besonders bei den Müttern, deren Gatten fort waren. Es gab kein Mittagsmahl, alle arbeiteten bis zum späten Nachmittag. Danach wurde es im Badeteich eng. Als Dar sich wusch, glaubte sie den Geruch von Atur in der Luft zu entdecken. Wenn sogar ich es riechen kann, muss es stark sein. Sie war sich auch bewusst, dass der Geruch vielleicht von ihr ausging, denn sie sehnte sich danach, wieder mit Kovok-mah zusammen zu sein.
Der Abend dämmerte, als die Söhne aus dem Tal heraufstapften. Dar kämpfte gegen das Verlangen an, Kovok-mah entgegenzurennen. Sie beobachtete die anderen Mütter, um an ihrem Beispiel zu lernen, wie sie sich verhalten sollte. Sie waren vor dem Hauseingang versammelt und taten ihre Aufregung mit keinem Laut kund. Dies verwunderte Dar, bis sie bemerkte, dass der Wind die Gefühle transportierte, die sie bezüglich der Heimkehrer empfanden.
Die Wachmannschaft kam. Die Mütter begrüßen sie. Dar sah die Geste der Brustberührung sehr oft. Sie schien das Verlangen eher auszudrücken als auszulösen. Danach benahmen sich Söhne und Mütter schicklich. Als Kovok-mah auftauchte, ahmte Dar die anderen Mütter nach. Zuvor hatte sie stets eine Bluse getragen. Sie war auf die Woge des Verlangens nicht vorbereitet, die aus Kovok-mahs Berührung erwuchs. In der Luft hing ein berauschender Wohlgeruch, und ihr Leib war sich jeden Gefühls bewusst. Als Kovok-mahs Hand sich von ihr löste, brachte Dar kein Wort hervor.
Kovok-mah lächelte. »Wie schön, dich wie die anderen Mütter gekleidet zu sehen, Dargu.« Er streckte eine Hand aus und streichelte ihre Wange mit einem Finger. »Du warst oft in meinem Brustkorb.«
Dar drückte ihre Lippen an seine Handfläche und küsste sie. »Lass uns irgendwo hingehen, wo wir allein sind«, sagte sie.
Dann hörte sie Muth-pahs Stimme. »Dargu wird heute Nacht ins Dunkel eintreten.«
Kovok-mahs Hand ließ Dars Wange sofort los. Er verbeugte sich. »Tut mir leid, Mutter. Das habe ich nicht gewusst.«
Muth-pah ging fort, bevor Dar fragen konnte, was ihre Worte zu bedeuten hatten. Sie schaute Kovok-mah an. »Warum hast du dich entschuldigt? Was ist dieses Dunkel?« Sie
streckte den Arm aus, um seine Hand zu ergreifen, doch er wich zurück.
»Tut mir leid, Dargu, aber wir dürfen nicht mehr zusammen sein.«
»Warum denn nicht? Was ist passiert?«
»Nur Mütter können ins Dunkel eintreten. Dieses Geheimnis bleibt uns Söhnen verborgen. Heute Nacht bist du thwada.«
»Thwada? Was bedeutet das?«
»Jemand, der unberührbar ist.« Kovok-mah zog sich von ihr zurück. »Jemand, der gefährlich ist.«
Erneut wurde Dar allein gelassen. Sie suchte Muth-pah auf, verbeugte sich flüchtig und artikulierte ihre Enttäuschung. »Was hast du zu Kovok-mah gesagt? Warum bin ich thwada? «
Muth-pah wirkte völlig gelassen. »Morgen kannst du mit deinem Velazul zusammen sein, aber nicht heute Nacht.«
»Warum nicht?«
»Du wirst ins Dunkel eintreten. Bis zu deiner Rückkehr darfst du weder essen noch mit einem Sohn zusammen sein.«
»Und wenn ich es nicht will?«
»Möchtest du, dass eine Sapaha dich durch die Berge führt?«, fragte Muth-pah. »Wenn ja, kommst du heute Abend mit mir.«
Ihr Verhalten verunsicherte Dar, doch natürlich war ihr klar, dass sie klein beigeben musste. »Was hat es mit diesem Dunkel auf sich?«
»Das Dunkel ist ein Ort, an dem man Visionen hat«, sagte Muth-pah. »Wir gehen zusammen hin. Heute Abend wirst du beim Festmahl auftischen. Später wirst du alles verstehen.«
Am Bah-Niti-Tag aß man erst beim Fest, das begann, wenn jegliches
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