Legionare
Als das Ende der Reise sich näherte, machte Dar sich Sorgen über ihren Empfang auf Kovok-mahs Familiensitz. Welche Muthuri wünscht sich schon ein Washavoki für ihren Sohn? Als sie sich ausmalte, wie abartig ihre Leidenschaft auf Kovok-mahs Mutter wirken musste, machte sich ein Gefühl von Hoffnungslosigkeit in ihr breit. Sie dachte über die Sache nach, bis ihr einfiel, dass Kovok-mahs Muthuri Zna-yats Tante war. Vielleicht kann er mir sagen, was mich erwartet. Als sie rasteten, zog sie Zna-yat zu einem Gespräch unter vier Augen beiseite. »Zna-yat, ich brauche Anleitung.«
»Du bist eine Mutter. Es steht mir nicht zu, dir einen Rat zu geben.«
»Und doch musst du es tun. Du hast Wissen, das mir fehlt.«
Zna-yat verbeugte sich. »Wie kann ich dir helfen?«
»Du weißt, dass Kovok-mah meinen Brustkorb füllt. Was wird passieren, wenn ich das Haus seiner Mutter betrete?«
»Betrete es nicht, Dargu.«
»Warum nicht?«
»Du bist klug, Dargu. Du weißt, warum.«
»Kovok-mahs Muthuri wird es missbilligen.«
»Sie wird seine Gefühle zwar kennen, aber nicht verstehen«, sagte Zna-yat. »Ich glaube, sie wird wütend sein.«
Dar stieß einen gequälten Seufzer aus. »Dann gibt es keine Hoffnung für mich. Und auch keinen Platz.«
»Du hast in meinen Nacken gebissen, Dargu. Im Haus meiner Muthuri wird immer Platz für dich sein.«
Dar brauchte nur einen Augenblick, um zu erkennen, dass ein Leben im Hause Zna-yats ihre einzige Option war. Sie war ihm für das Angebot dankbar. Zuvor hatte sie angenommen, sie würde bei Kovok-mah bleiben. Doch seine Muthuri hatte
keinen Grund, sie aufzunehmen. Sie würde bestimmt schnell eine andere Braut für ihn entdecken und Dar ablehnen. Dars Zukunft schien festzustehen. Doch sie wirkte nicht viel versprechend.
Am späten Nachmittag kamen die Reisenden in ein weiteres unbewohntes Tal. Dar erspähte einen passenden Lagerplatz und verkündete das frühe Ende des heutigen Tagesmarsches. Nach dem Essen führte sie Kovok-mah fort. Sie kehrten erst am nächsten Morgen zurück.
Zna-yat nahm Dar kurz nach ihrer Ankunft beiseite und sagte leise: »Du bist nicht gesegnet, Dargu.«
»Wir waren anständig«, sagte Dar. »Wir haben uns Liebe geschenkt, nicht mehr.« Doch insgeheim wünschte sie sich, sie wären unanständig gewesen. Sie hätte ihre Liebe gern vollzogen, wenn Kovok-mah dazu bereit gewesen wäre, doch die Ehre hielt ihn zurück. Deswegen fühlte sie sich trotz der leidenschaftlichen Nacht zurückgewiesen. Angesichts der Besorgnis in Zna-yats Gesicht spürte Dar, dass er ihr wahres Sehnen vermutete. »Ich bin doch nicht dumm«, fügte sie hinzu.
»Mütter, die thrimuk, bevor sie gesegnet sind, werden für den Rest ihres Lebens thwada«, sagte Zna-yat.
»Ich weiß«, sagte Dar. Trotzdem kam ihr sofort der Gedanke, dass sie auch unberührbar wurde, wenn Kovok-mah wegging.
»Mein Brustkorb ist deinetwegen schwer«, sagte Zna-yat. »Aus Freude wird nur zu leicht Sorge. Kovok-mah hat dies in Tarathank befürchtet. Er hatte Angst vor dem Ende dieser Reise.«
»Wenn er gewusst hat, dass sie so endet, warum hat er mir dann Liebe geschenkt?«
»Du bist zu ihm gekommen und hast erbeten, was sein Brustkorb sich am meisten ersehnte«, erwiderte Zna-yat. »Er glaubte, es sei Muth’las Tun.«
Dar seufzte und dachte daran, dass Muth’la ihre eigenen Ziele verfolgte. »Vielleicht hatte er recht.«
Zna-yat überdachte Dars Dilemma eine Weile, bevor er etwas sagte. »Kovok-mahs Muthuri darf nicht zu früh von dir erfahren.«
»Warum nicht?«, fragte Dar. »Was würde es ändern?«
»So kannst du Rat suchen«, sagte Zna-yat. »Die Yat-Sippe ist die Sippe der Königin, deren Mütter einen scharfsinnigen Geist haben. Vielleicht sehen sie einen Weg für dich.«
»Es ist nicht Kovok-mahs Natur, bedeutungslose Worte zu sprechen. Wie kann er seine Liebe verbergen?«
»Ich werde ihm raten, Gespräche über dich zu vermeiden«, erwiderte Zna-yat, »und nicht im Haus seiner Muthuri zu wohnen. Wenn er den Sommer bei den Ziegen verbringt, erfährt sie vielleicht nichts von seinen Gefühlen.«
Erneut sah Dar, dass Zna-yat sich von den anderen Orks unterschied. Er verstand, was Irreführung war. Im Gegensatz zu ihm war Kovok-mah die Ehrlichkeit in Person. Dar konnte sich nicht vorstellen, dass er in der Lage war, seine Gefühle zu verheimlichen. Selbst wenn es ihm gelang: Sie konnte sich nicht vorstellen, dass sie seiner Muthuri je akzeptabel erscheinen konnte. Ich bin ein Washavoki.
Weitere Kostenlose Bücher