Legionare
blieb stehen, wo sie war. »Wer ist da?«, rief sie.
»Ich bin’s nur.«
»Sevren? Was machst du denn hier?«
Aus dem Schatten löste sich die Gestalt des Gardisten. Er hielt Dar ein Paar Schuhe hin. »Die möchte ich dir schenken.«
»Warum?«
»Der Boden im Palast kann kalt werden.«
»Und was möchtest du dafür haben?«
»Ich bin nicht hier, um zu feilschen. Sie sind ein Geschenk. «
Dar zögerte, dann nahm sie die Schuhe an. Sie waren neu. »Danke.«
Sevren lächelte. »Probier sie an; sie beißen nicht.«
Dar schlüpfte in die Schuhe. Sie passten, und das Leder war weich.
»Du traust Männern nicht«, sagte Sevren.
»Nach allem, was ich durchgemacht habe, fällt es mir schwer.«
»Es ist eine Fähigkeit, die man erlernen kann, wenn man den richtigen Lehrer hat. Du hast mir immerhin genug vertraut, um mir deine Botschaft zu senden.«
»Ja.«
»Wo schläfst du?«, fragte Sevren.
»Die Putzmamsell hat eine Matratze. Die teilt sie mit mir.«
»Das braucht sie nicht zu tun. Ich habe mit Davot gesprochen. Du brauchst nicht hier zu schlafen.«
»Bietest du mir dein Bett an? Nein, danke.«
»Du kannst es für dich allein haben.«
»Nein!«
»Warum traust du mir nicht? Du bist da sicher.«
»Hier bin ich auch sicher.«
»Falls du es dir anders überlegst: Die Unterkunft der Garde ist im Burghof, gleich nebenan. Mein Zimmer ist im zweiten Stock.«
»Ich werde es mir nicht anders überlegen.« Dann fiel ihr plötzlich auf, dass sie undankbar wirkte. Sevren flößte ihr Unbehagen ein, doch nicht so, dass er sie ängstigte. Er hat mir nie einen Grund geliefert, ihm zu misstrauen. »Es war lieb von dir, an mich zu denken.« Dar gab ihm ein spontanes Küsschen auf den Mund. Dann wich sie schnell zurück, denn ihr Tun überraschte sie ebenso wie Sevren.
Königin Girta klopfte an die Tür ihres Gatten. Sie wusste, dass er betrunken war. Er konnte gewalttätig werden, doch Alkohol löste auch seine Zunge. Girta riskierte es nur, seinen Zorn auf sich zu ziehen, weil sie verzweifelt war.
»Herein«, sagte der König. Als er seine Frau sah, verdüsterte sich sein Blick. »Was willst du?«
Girta nahm ihre schüchternste Pose ein. »Gerüchten zufolge hat Othar schon wieder ein Kind zum Turm mitgenommen, Herr.«
»Na und?«
»Fürstin Rowenas Sohn wird vermisst.« Girta sah, dass ihr Gatte erbleichte, und das schiere Entsetzen packte sie. Er weiß, was passiert ist! Sie riss sich zusammen und sprach weiter. »Glaubst du, dass Othar … Könnte er vielleicht …?«
»Woher soll ich das wissen?«, fauchte Kregant.
»Aber Herr, er ist doch dein Zauberer.«
»Meiner?« Der König lachte verbittert. »Du bist doch die Königin. Frag ihn doch selbst.«
»Das kann ich nicht. Ich habe Angst vor ihm.«
Kregant füllte seinen Weinkelch, dann leerte er ihn wie jemand, der Durst hat. Der Blick, mit dem er seine Gattin maß, war alles andere als klar. »Ich hab immer geglaubt, er wäre mein Diener. Kann gut mit Kräutern umgehen. Und so weiter. Aber dann …« Sein Gesicht verzerrte sich geradezu verzweifelt. »Diese verfluchten Knochen!«
»Sie haben ihn verändert«, sagte Girta leise. »Und nicht nur sein Gesicht. Eine Kälte umgibt ihn – der Wind, der auf dem Dunklen Pfad weht.«
»Glaubst du, ich hätte es noch nicht bemerkt? Ich trage einen Pelz beim Essen. Dieser Mensch ist eiskalt; vorausgesetzt, er ist überhaupt noch ein Mensch.«
»Schaff ihn dir vom Hals!«
Kregant schüttelte sich. »Das kann ich nicht.«
»Weil er deinen Vater für dich vergiftet hat?« Girta vermutete es zwar nur, aber sie wollte wissen, wie ihr Gatte darauf reagierte.
Kregant war zu betrunken, um die Fangfrage zu erkennen. »Für eine Erpressung ist es zu spät. Jetzt bin ich der König.«
»Und warum kannst du ihn dann nicht loswerden?«
»Ist zu gefährlich. Er könnte zu meinen Gegnern überlaufen. «
»Nicht, wenn er tot ist.«
König Kregant füllte seinen Kelch erneut. »Die Knochen würden ihn warnen. Außerdem brauch ich ihn. Wir sind in Gefahr. Mein Gegner ist zurückgekehrt.«
»Welcher Gegner?«
Kregant schaute seine Gattin benommen an. »Welcher Gegner? Steht noch nicht fest. Othar sucht nach ihm. Aber er braucht Blut. Viel Blut.« Der König verlor die Besinnung. Sein Kinn sackte auf seine Brust.
Girta betrachtete ihren betäubten Gatten mit einem angewiderten Blick. Sie hatte ihn nie geliebt, aber Ehen unter Königshäusern hatten auch nichts mit Liebe zu tun. Die Ehe hatte ihrem Vater genützt
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