Lehmann, Christine
Me i ne Bücher, meine Klamotten. Das Leben auf null gestellt. Macht nichts! War eh alles Plunder. Wird das gutgehen, wenn ich zunächst bei Richard wohne? Zum Glück habe ich meinen Computer mitgenommen. Sonst war jetzt a l les weg. Wie gut, dass ich Wagners Listen auf einem e x ternen Server gelagert habe. Hat Manteufel Feuer gelegt? Oder Ambrosius Baphomet? Egal wer, ich bringe ihn um, wenn Oma Scheible was passiert ist.
Ein Häuflein heimatlos gewordener Leute hatte sich fröstelnd unterm Schutz der Polizei jenseits der Stad t bahnhaltestelle vorm verschlossenen Rolltor der Staat s anwaltschaft versammelt. Die Matuscheks mit drei ve r schreckten Kindern, Oma Scheible, die sich des Schocks mit Horrorstorys von Bränden, Brandwunden und Rauchvergiftungen erwehrte, die Kopftucheritreerin mit ihrem Mann, der die zehnjährige Almaz fest an der Hand hielt und mit trauriger Miene die Möglichkeit eines au s länderfeindlichen Anschlags erwog, der ihm und seiner Absicht gegolten haben mochte, sein Töchterchen der Genitalverstümmelung auszuliefern, die Studentin mit ihrem Freund und die Alteingesessenen und Rentner, die kaum Miete zahlten, weil sie seit dreißig Jahren in dem Haus wohnten, und nun nie wieder so billig irgendwo unterkommen würden.
Halbwegs beruhigt stellte ich fest, dass es aus dem Stockwerk über mir qualmte, aus den Fenstern der Wo h nung von Nina Habergeiß. Verrußt waren nur die Fens te r stürze darüber, nicht die meiner Fenster. Niemand ha t te also bei mir Feuer gelegt.
Rote Flammen züngelten keine, aber der Dachstuhl dampfte aus allen Ziegelritzen in die helle Stadtnacht. Von zwei Leitern spritzten Feuerwehrleute mit dickem Strahl ins Haus. Was das Feuer nicht angefressen hatte, würde das Wasser unbrauchbar machen. Aber Haupts a che, niemand war verletzt, keiner tot. Das Feuer sei blit z schnell ausgebrochen, erzählte man uns, plötzlich habe es lichterloh gebrannt, Scheiben seien geborsten. Wah r scheinlich Benzin, klügelte Matuschek. Der hatte es von draußen gesehen, als er vom Zigarettenholen wiederkam, und die Bewohner alarmiert, gerettet eigentlich. Wer zahlte jetzt den Schaden. Bei Brandstiftung niemand, wollte Matuschek ganz sicher wissen. Und wenn man den Täter nicht fasse und wenn der nichts habe, bleibe man auf dem Schaden sitzen. Aber wissen werde man das erst in ein paar Tagen, wenn die Brandsachverständ i gen hi n einkonnten. Ich kam mir vor wie im Fernsehen. Ich hörte schon das Tremolo der Reporterin: Katarina V. ist erst dreizehn Jahre alt und doch hat sie nun innerhalb von drei Tagen ihren Bruder und ihre Mutter und nun auch ihr Zuhause verloren.
Wo war Katarina eigentlich? Doch nicht etwa da oben in der Wohnung, auch nicht gewesen! Ich ließ mich über die Telefonauskunft mit dem Anschluss Nemkova in der Ostendstraße verbinden. Eliska ging ran. Nein, Katarina sei bei ihnen. Sie säßen gerade beim Abendessen. Gott sei Dank.
Zu tun gab es jetzt hier auch nichts mehr. Zudem wu r de Alena quengelig. Wir hinterließen Personaldaten und Adresse und fuhren erneut durch die Stadt, die Imme n hofer hinauf, die Alte Weinsteige zum Haigst in die Kau zenhecke.
Richard badete Alena, wickelte sie, fütterte sie und legte sie erschöpft, aber zufrieden im Kinderwagen ab. Wir aßen, er setzte sich ans Klavier und ich mich in sein Arbeitszimmer an meinen Computer und suchte auf dem anonymen Hotmailkonto nach dem, was mir Teixel g e mailt hatte: die Pro-Kopf-Rechnung von Baphomet an Manteufel, die fälschlicherweise an Teixel gegangen war, ferner ein Organigramm des Jugendamts und, als absolut illegale Zugabe, Auszüge aus der Akte über Tobias Vlo ra-Habergeiß.
Eine Stunde später verstummten die Klaviersonaten und Richard zog mit Deppers Ordnern ins Wohnzimmer um. Alena schrie irgendwann, dann schlief sie wieder. Und ich schrieb.
Fünf Mal fing ich von vorn an, weil nichts zusamme n passte. Ambrosius Baphomet verdiente mit fiktiven Ki n dern. Er war ein Betrüger. Jugendamtsleiter Manteufel war ihm draufgekommen und verdiente jetzt mit. ASD- Leiterin Annemarie Hellewart mochte keine Kinder, u n terstellte den Müttern hoffnungslose Überforderung oder krankhafte Kindesmisshandlung und sorgte dafür, dass die Säuglinge zu Brigitte Belial kamen, die damit wohl auch ihren Schnitt machte, und die anderen Kinder ins Sonnennest. Rosalinde Baphomet verpasste Heim ki n dern rührselige Opferlegenden und stand an vorder s ter Front eines hehren Feldzugs gegen Genitalverstümm e
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