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Lehmann, Christine

Lehmann, Christine

Titel: Lehmann, Christine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mit Teufelsg'walt
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Kanzlei auf. Sie roch nach Putzmitteln und Wochenende.
    »Und immer noch bekindert?« Der Anwalt gab sich keine Mühe zu verbergen, wie albern er den Staatsanwalt in Vaterpose fand. Er öffnete die Bürotür. »Kaffee kann ich Ihnen leider nicht anbieten. Die Maschine ist nicht in Betrieb.«
    »Wir kommen gerade vom Kaffee«, sagte Richard.
    Depper stemmte die Hände in die Hüften und machte ein abwartend gelangweiltes Gesicht. »Also, was ist so wichtig, dass Sie mich am Samstagabend aufsuchen?«
    »Herr Depper«, sagte ich. »Am Montag erscheint im Stuttgarter Anzeiger ein Artikel über das Sonnennest.«
    »Von Ihnen?« Er musterte mich von oben bis unten. Der Schmiss an seinem Kinn zuckte.
    »Ja, und darin wird stehen, dass die Stiftung dem So n nennest Zuschüsse zahlt für die Betreuung von Pfleg e kindern in Pflegefamilien, die es überhaupt nicht gibt.«
    Depper zog die Brauen hoch.
    »Und meine Frage ist: Wissen Sie etwas davon?«
    »Was? Wovon soll ich was wissen?«
    »Davon, dass Ambrosius Baphomet bei der Stiftung für fiktive Kinder kassiert.«
    »Herr Baphomet ist nicht der Geschäftsführer des Sonnen nests , Frau Nerz.«
    Und ich war eine sauschlechte Journalistin. Da hatte er recht.
    »Herr Depper«, sagte Richard. »Ich sehe einen hinre i chenden Anfangsverdacht für einen großangelegten B e trug mit Scheinkindern und Scheinpflegefamilien. Und bevor am Montag der Artikel erscheint, würde ich gern einen Blick in die Bücher der Stiftung geworfen haben. Man möchte ja nicht wie ein Idiot dastehen, wenn die Journalisten anrufen, nicht?«
    »Verstehe!« Depper nahm drei Ordner aus dem Regal und legte sie auf den Konferenztisch. »Nehmen Sie sie mit. Ich hoffe allerdings, der Verdacht stellt sich als u n begründet heraus. Auch ich möchte nicht gern als Idiot dastehen.«
    Entweder Depper war unschuldig oder mit allen Wa s sern gewaschen. Wenn uns jetzt nichts einfiel, waren wir draußen. Richard mit dem Baby auf dem Arm und ich mit drei Aktenordnern.
    »Ach übrigens«, sagte Richard, sich in der Tür u m dre hend. »Das Baby, die kleine Alena hier, sie ist die Toc h ter Ihrer Sekretärin Eliska Nemkova. Wussten Sie das?«
    Der Schmiss auf Deppers Kiefer kräuselte sich spö t tisch. »Das fragen Sie mich jetzt nicht im Ernst, oder?«
    Im Gegensatz zu mir wusste Richard immer, wann er nichts sagen durfte.
    Depper besann sich. Er sah erschöpft aus. »Natürlich wusste ich, dass Frau Nemkova schwanger war. Nur de s halb habe ich sie aus Tschechien mitgebracht. Die Vo r stellung, dass sie das Kind nur kriegt, um es in ein tsch e chisches Kinderheim zu stecken und wieder schwanger zu werden, fand ich unerträglich. Ich weiß, es ist unsi n nig. Es gibt tausend andere Frauen, und ich rette eine und ein Kind … Aber irgendwo muss man doch anfangen.«
    »Doch Frau Nemkova wollte das Kind nicht beha l ten.«
    »Der Ekel … das muss man wohl verstehen.«
    »Also wollten Sie und Ihre Frau es adoptieren?«
    »Wir haben kurz darüber nachgedacht, ja. Sonja wol l te es, aber ich nicht. Ich habe Ihnen schon erklärt, warum nicht. Die Angst … ich hätte es nicht ausgehalten. Wir haben … ich habe Frau Nemkova angeboten, sie fina n ziell zu unterstützen. Aber sie meinte, sie könne keine positive Beziehung zu dem Kind in ihrem Bauch aufba u en. Und sie wolle auch nicht, dass meine Frau es nimmt, denn dann würde sie es ständig sehen, und vielleicht könnte sie dann nicht damit leben, dass sie es nicht gro ß zieht. Das mussten wir akzeptieren. Sie hat sich dann aus freien Stücken und ohne Druck von außen entschlossen, es gleich nach der Geburt zur Adoption freizugeben.«
    Richard schaute mich an. Jetzt war ich wieder dran, wie immer, wenn es regelwidrig werden musste.
    »Sie haben doch«, sagte ich, »vor vier Wochen eine E-Mail mit Drohungen bekommen. Ein Absender MuminX hat Ihnen erklärt, er wisse alles über Ihre Frau und die verstorbenen Babys. Sie sollten Ihrer Frau ausrichten, dass sie Tobias nicht wegnehmen dürfe, sonst müssten Sie bezahlen dafür.«
    Der Blick des Anwalts schnellte zu mir. »Das habe ich natürlich nicht ernst genommen.«
    »Natürlich nicht. Aber Sie wissen, von wem der Brief stammte?«
    »Nein. Keineswegs. Offensichtlich geht es um einen Fall, in dem meine Frau entscheiden musste. Aber sie redet … sie hat mit mir nicht über ihre Fälle geredet, g e nauso wenig wie ich mit ihr über meine. Daher …« Er hob die Hände, fast erleichtert. »Ich verstehe auch nicht ganz, was

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