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Lehmann, Christine

Lehmann, Christine

Titel: Lehmann, Christine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mit Teufelsg'walt
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sei kein Mensch, keine Frau, wenn sie ihr Kind weggeben könne. So in diesem Stil. Eliska war außer sich. Ich musste sie hei m schicken. Konnte ich ahnen, dass Sonja an dem Tag lo s zieht und sich das Baby holt; aus dem Kinderheim?«
    »Eine schwierige Situation für Sie«, sagte Richard.
    Depper sah fast dankbar aus. »Was hätte ich auch tun sollen?«
    »Was hätten Sie denn getan, wenn Sonja mit dem B a by angekommen wäre?«, fragte ich.
    Depper blinzelte. »Was soll die Frage?« Dann erwac h te sein Scharfsinn. »Sie wollen doch nicht etwa herausfi n den, ob ich meine Frau umgebracht habe?« Er lachte b ö se. »Sie haben wohl zu viele Krimis geguckt, Herr Staat s anwalt. Ein kleines Verhör, ohne den Beschuldi g ten über seine Rechte aufzuklären? Sie gefährden die gesamten Ermittlungen Ihrer Kollegin Meisner und der Soko Ma h dental?«
    »Wir führen hier nur ein privates Gespräch«, erwiderte Richard und wiegte das Baby in seinem Arm.
    Depper starrte ihn an. Das höhnische Lächeln ve r schwand allmählich aus seinem Gesicht. »Sie haben recht. Was rege ich mich auf? Es kommt nicht mehr da r auf an. Ich habe meine Frau nicht umgebracht. Wozu auch? Wenn sie das Baby nach Hause gebracht hätte – womit ich im Übrigen nicht habe rechnen können –, dann hätte sie alles verloren, ihr Richteramt, ihre Beamtenpe n sion, ihr Ansehen. Die Presse hätte sie verhöhnt. Und natürlich hätte sie das Kind zurückgeben müssen. Sie hätte es keinen Tag gehabt. Doch dann hätte sie vielleicht endlich eingesehen, dass sie professionelle Hilfe anne h men muss. Vielleicht wäre es sogar gut so gewesen.«
    Der Hauch von Resignation in Richards Haltung sagte mir, dass er dem Anwalt glaubte.
    »Nur dass Ihre Frau sich den Schal nicht so gebunden hat, wie Sie es uns beschrieben haben«, sagte ich. »Sie hat die Enden durch die Schlaufe gezogen, wie man das heute macht. Aber Sie haben die Wickelung beschrieben, die ihr Mörder hinterlassen hat.«
    »Wie?«
    »Das ist Täterwissen, Herr Depper.«
    Der Anwalt lachte angestrengt. »Und woher haben Sie Kenntnis von Täterwissen, Frau Journalistin Nerz? Sollte es da eine undichte Stelle geben?«
    »Vergessen Sie nicht, ich habe die Leiche gefunden. Ich habe noch versucht, sie … sie wiederzubeleben.«
    »Vielleicht waren Sie es ja dann, Frau Nerz!«
    In Richard kam Bewegung. »Vielen Dank, Herr Depper«, sagte er von Mann zu Mann über meinen Kopf hinweg. »Und bitte seien Sie uns nicht gram, wenn wir ein paar zu vorlaute Fragen gestellt haben. Es lässt einen ja nicht kalt, wenn eine Kollegin, die man über Jahre b e gleitet hat …« Richards Stimme knickerte etwas.
    Depper winkte ab. »Wir sind alle nur Menschen.«
    Arschloch!
    »Es ist nicht unsere Aufgabe, ihn zu überführen!«, mahnte Richard, als wir die Treppe hinunterstiegen, ich ihm die Akten hinterhertragend.
    »Und jetzt?«, fragte ich.
    »Zu mir oder zu dir?«
    »Zu mir, ich muss einen Artikel schreiben!«

30
     
    Blaulichter kreiselten am Stöckach im Häuserschacht zwischen Staatsanwaltschaft und dem Wohnblock. Wir sahen es schon, als wir am Neckartor in die Neckarstraße bogen. Ein Polizist winkte die Autos vor uns ungeachtet der roten Ampel sofort in die Heilmannstraße weg. Die Fahrbahn hinter ihm war gestopft voll mit roten Feue r wehrautos. Eine Leiter kragte über sie hinaus. Im Licht der Antiterrorstrahler der Staatsanwaltschaft dampfte Löschwasser.
    »Scheiße! Das ist bei mir!«
    Ich verweigerte mich den Handzeichen des Polizisten und fuhr geradeaus. Der Beamte stellte sich in den Weg. Verdammt, wo war der Knopf für den elektronischen Fensterheber! Richard half aus.
    »Da könnet Sie net durch! Das sehet Sie doch!«
    »Aber das ist bei mir!«, schrie ich. »Ich muss da hin!«
    Der Polizist beugte sich herab, um einen Blick in den Wagen zu werfen. Richard zeigte über Alena hinweg se i nen rosafarbenen Ausweis der Staatsanwaltschaft.
    »Ich kann Sie trotzdem net durchlassen«, sagte der P o lizist. »Das sehet Sie doch. Da geht nix mehr.« Aber e t was ging immer. »Fahren Sie da hanne na«, sagte er und deutete auf die Apotheke an der Ecke. »Und wartet Sie, ich sag den Kollegen Bescheid. Da wird sich gleich j e mand um Sie kümmern.«
    Ich stellte die Limousine in das Seitensträßchen vor der Post. Wir stiegen aus, Richard mit Alena auf dem Arm, drängelten uns mit Dackel an der Leine durch die Schaulustigen an der Apotheke bis zur Absperrung vor. Meine neuronalen Prozessoren glühten: Alles weg.

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