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Lehmann, Christine

Lehmann, Christine

Titel: Lehmann, Christine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nachtkrater
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holte ein nicht sonderlich kleines Fläschchen aus dem Schrank.
    »TTX erleichtert den Drogenentzug.« Er lächelte schief. »Es hilft gegen die Schmerzen und gegen das Zi t tern. Sollte man nicht denken, dass wir das hier bra u chen. Aber es gibt nichts, was es nicht gibt. So mancher Astronaut hält das jahrelange Training und Warten nur mit Hilfsmitteln durch und überschätzt seine Willen s kraft, wenn er dann endlich hier ankommt. TTX blockiert die Reizleitung in den Nerven. Man stirbt sehr schnell an totaler Lähmung. Zwei Mikrogramm, oral aufgenommen, reichen. Es gibt Kulte, die es verwenden, damit jemand in einen scheintoten Zustand verfallen kann. Den Haiti a nern sagt man nach, dass sie das Gift des Kugelfischs nehmen, wenn sie für tot gelten wollen, beispielsweise um einer Rache zu entgehen. Ein vertrauter Freund gräbt sie gleich nach der Beerdigung wieder aus. Womöglich ist der Zustand des Samadhi, die Kryptobiose der ind i schen Brahmanen , auch ein Ergebnis solcher Hilfsmi t tel.«
    »Mit anderen Worten, Chaturvedi könnte sich selbst umgebracht haben.«
    Wim nickte.
    »Wer kommt noch so an diesen Schrank?«
    »Kommt darauf an, wie sicher unsere Pins noch sind.«
    »Wo ist Chaturvedi jetzt?«
    Der Arzt deutete auf die Tür zum Fitnessraum. »In die Kühlkammer will ich ihn vorerst nicht legen. Er befindet sich auf der Liege hinter der Datenstation für die Erg o meter. Die Leichenstarre ist immer noch nicht eingetr e ten.«
    »Wird er womöglich wieder aufwachen?«
    Wim schüttelte den Kopf. »Das kann ich mir nicht vorstellen.«
    »Okay. Aber das erklärt noch nicht, warum du uns mit Cyanobakterien erschreckt hast.«
    Wim setzte sich hin wie ein sehr alter Mann. »Du sagst es, wir wollten euch erschrecken. Wir wollten Zeit gewinnen. Viele Möglichkeiten haben wir ja nicht. Zi p pora meinte, ein Saboteur, der um sein eigenes Leben fürchten muss, wird zunächst von seinen Plänen abla s sen, wie auch immer die aussehen.«
    »Deshalb bin ich mir die ganze Zeit vorgekommen wie eine Ameise in einem Labyrinth!«
    Wim deutete ein Lächeln an. »Auf die Cyanobakterien hat mich übrigens Tupac gebracht. Er hat mir gestern, nein, vorgestern Abend berichtet, dass Van Sung dir was von den Feuerameisen des Japaners vorgeschwatzt hat. Und er, Tupac, habe draufgesetzt, dass sie in Symbiose mit Cyanobakterien draußen im Regolith leben. Du hä t test offensichtlich von nichts eine Ahnung. Das hat T u pac zutiefst ergrimmt, denn er hat sein Leben, seine Heimat und was nicht noch alles seinem Ziel geopfert, Astronaut zu werden, und dann schicken die Europäer irgendeinen Dummkopf oder Glückspilz hier herauf, ohne Vorbere i tung, ohne Kenntnisse.«
    »Sehr gefährlich, der Unglückliche, der durch Fleiß erringt, was ein Glücklicher gewinnt.«
    »Mag sein.« Wim kniff die Augen zusammen. »So, und jetzt nimm die Tabletten und bring sie Rhianna. Und dann solltest du ein paar Stunden schlafen.«
    »Du aber auch.«
    »Ich komme noch früh genug zu meinem Schlaf.«
    Ich drehte mich in der Tür noch mal um. »Was nimmst du eigentlich? Morphium oder TTX?«
    Der belgische Arzt fuhr sich über das schüttere Haar.

56
     
    »Denn das ist das Ziel: dem Leben jeden Platz zu e r obern, auf dem es bestehen und weiter wachsen kann, jede unbelebte Welt zu beleben und jede lebende sinnvoll zu machen.« Rakete zu den Planetenräumen, Hermann Oberth, 1923
     
    Radio High Moon orgelte mich aus dem Tiefschlaf. »Good morning!«, brüllte David.
    Ich hätte ihn erschlagen können.
    »Heute ist der letzte Tag auf dem Mond für Eclipse van Wijk, Mohamed bin Salman al-Sibarai’I , Pjotr T u renkow und Franco Llacer und für unseren Cyborg, M i chelle Ardan.«
    »Was?« Ich fuhr auf. Meine Halsmuskeln weigerten sich, den Kopf zu drehen. Mein von Gails Ohrfeige mis s handelter Kiefer drohte damit, die Nahrungsaufna h me heute nicht zu unterstützen.
    »Genießt eure letzten acht Stunden in der Artemis. Und jetzt für euch ein ganz spezieller musikalischer Gruß.«
    Meine Klampfentage erstanden auf: Should old a c quaintance be forgot …
    Nein!
    Ich schwang die Beine aus dem Bett und merkte ger a de noch rechtzeitig, dass ich oben geschlafen hatte.
    Nur noch ein paar Stunden!, dachte ich und stolperte auf der spinalen Treppe. In der kurzen Zeit schaffe ich das nicht!
    Eclipse und Mohamed spielten Schach in der Cupola. Abdul stand schmal und leicht am Fenster und blickte zur Erde hinüber.
    Klein kam mir die blaue Marmorkugelhälfte über

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