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Lehmann, Christine

Lehmann, Christine

Titel: Lehmann, Christine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nachtkrater
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Mondmission?«
    »Nein, vermutlich nicht.«
    Es weigerte sich nämlich eine tief in mir verwurzelte Geringschätzung des eigenen Geschlechts, bei Yanqiu so viel kriminelles Genie anzunehmen. Zumal sie Chinesin war.
    Himmel, Lisa!
    Aber wie seltsam Yanqiu heute Nacht auf ihrem Schemel gesessen hatte, als ich Rhianna hereinbrachte! Wie jemand, der seine Hinrichtung erwartet hatte. In China wurden Menschen schon wegen Steuerhinterzi e hung zum Tod verurteilt. Yanqiu war todgeweiht, falls sie Torsten Veith ermordet, Rakesh Chaturvedi vergiftet und versucht hatte, mich und Gail zu töten.
    »Torstens Tod«, erkundigte ich mich, »entwickelt der sich auch logisch aus diesen Aktionsmustern?«
    Abdul klickte ein neues Netzbild herbei. »In gewisser Weise schon. Er hat schon Wochen vorher angefangen, ohne nennenswerte Kontakte zu anderen zu agieren. Aber in keinem Moment hat sich die Gemeinschaft so von ihm zurückgezogen wie in den Stunden seines T o des. Sie liegen alle still in ihren Betten. Sie bewegen sich nicht. Niemand hat auf ihn aufgepasst. Nicht einmal Zeus. Der war mit einem Neustart beschäftigt und hat David und Leslie ins CC gebannt. Allerdings weist Ya n qius Uhr in dieser Nacht erneut das charakteristische Auszeitmuster auf.«
    »Scheiße!«
    Das Knacken der Intercom schreckte mich auf.
    »Michelle Ardan, bitte zu Artemis-CDR Butcher, dri t tes Sub!«, trötete Davids Stimme.
    Fluchtimpulse fluteten mich. »Verdammt, der setzt mich fest!«
    »Glaube ich nicht. Es würde ihm nichts nützen.« A b dul zupfte die Speicherkarte aus dem Laptop. Die Bew e gungsmuster verloschen.
    »Was würde ihm nichts nützen?«
    Abdul lächelte. »Er braucht dich.«
    »Wozu denn? Verflucht! Was läuft hier?«
    »Komm, ich bring dich runter.« Der Blick des Paki s tani flutschte, wie so oft die Blicke der Besatzung, zur Kamera empor. Aus der Geräuschkulisse zu schließen, die Fred in diesem Quartier gestern aufgebaut hatte, hatte hier niemand das Mikro außer Funktion gesetzt.
    »Denk nicht nach«, hauchte Abdul mir auf einer der Treppen ins Ohr. »Du bist Teil eines großen Plans. Tu, was dir naheliegend erscheint. Dann kannst du keinen Fehler machen.«
    Ich hätte gerne noch protestiert, aber da passierten wir schon das CC, wo Rhianna die red line -Bereiche im A u ge hatte. David gestikulierte in seinem Studio und rief: »Er wartet auf dich.«
    Butcher saß hinter seiner US-Flagge.
    »Setz dich, Michelle.«
    Es gab eigentlich nur den Stuhl in Tamaras Ecke unter dem Feuerlöscher.
    Ein angestrengtes Lächeln schob Leslie Butchers sonst so müde Mimik die Knochen empor, was sein Gesicht in eine pausbäckige Maske verwandelte. Seine Wangen waren sogar gerötet. Irgendetwas musste ihn in den ve r gangenen Stunden überzeugt haben, dass sich die A n strengung einer letzten Konfrontation mit mir lohnte.
    »Setz dich«, sagte er noch einmal, durchaus freun d lich.
    Ich zwängte mich unter den Feuerlöscher.
    Leslie Butcher dehnte sich in seinem Stuhl und schob den Bauch gegen die Tischkante. »Noch vierundzwanzig Tage, dann werde ich Waleri Poljakow geschlagen h a ben, der 437 Tage am Stück fern der Erde auf der Mir war. Und noch einmal drei Tage dazu, und ich werde, alle Missionen zusamme n gerechnet, länger im Weltraum gewesen sein als Sergei Krikaljow mit seinen insgesamt 803 Tagen. Ein doppe l ter Rekord!«
    »Gratuliere.«
    »Und Knochenschwund ist bei mir fast gar nicht zu b e obachten, während andere bereits nach 145 Tagen bis zu neunzehn Prozent ihrer Knochenmasse eingebüßt h a ben.«
    »Ah ja.«
    »Und wie gefällt es dir auf dem Mond?«
    »Äh, gut … ich meine, es ist okay.« Wollte Butcher wirklich Smalltalk mit mir machen?
    »Schon erstaunlich«, sagte er, »wie viel Wirbel eine einzelne Person machen kann. Wir sind wohl alle mit der Zeit etwas lethargisch geworden. Du hast frischen Wind hier hereingebracht. Etwas zu frischen für meinen G e schmack, aber, na gut … Respekt, Michelle Ardan! Und deshalb möchte ich deine Neugierde insoweit befried i gen, als ich dir die Frage beantworten werde, was sich hinter der Stahlwand der Waffenkammer befindet.«
    Ich brauchte gar nichts zu sagen.
    »Es ist ein Hohlraum, zylindrisch und über hundert Meter tief. Aber es ist keine Raketenabschussbasis, wie hier manche vermuten …«
    »Torsten auch?«
    »Nein.« Leslie Butcher schüttelte gemächlich den Kopf. »Nein. Torsten hat nichts dergleichen vermutet. Jedenfalls nicht, soweit ich davon Kenntnis erlangt habe. Und ich

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