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Lehmann, Christine

Lehmann, Christine

Titel: Lehmann, Christine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nachtkrater
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einen in Israel, einen in Kenia, unseren in Friedrichshafen, einen in Brasilien und natürlich den von Kourou in der französischen Enklave an Brasiliens Nordostküste, eine der modernsten und betriebsamsten Abschussbasen auf der Welt.
    Ich drehte mir den Koffer öffnungsbereit. Musste ich jetzt so tun, als wäre ich Michel oder Michelle Ardan? War das die Bedingung, dass ich am Leben blieb, weil irgendwer mich versteckt hatte hinter dem Namen eines Toten? »Und Torsten Veith, wie ist der eigentlich wir k lich ums Leben gekommen?«
    »Durch Dummheit«, antwortete der Waran.
    »Es war die Rache der blauen Ameise«, sagte Tupac.
    »Ah so! Die Ameisen haben ihm den Anzug aufgeri s sen und die Knochen gebrochen?« Es gelang mir fast auf Anhieb, den Koffer zu öffnen.
    »Er ist eingebrochen in einen unterirdischen Ameise n bau«, sagte Tupac und zog sich unvermittelt den Sweater über den Kopf. »Mondstaub ist unberechenbar wie P u der, einerseits fest, andererseits nachgiebig. Und Mon d steine sind scharfkantig.«
    Sein nackter Oberkörper war bronzef arben und mu s kulös.
    »Keiner weiß, was passiert ist«, korrigierte Van Sung. »Torsten war allein. Und Gail«, er wandte sich an den Indianer, »hat keine Ameisen gesehen, als ihr ihn reing e holt habt.«
    Tupac lachte hart und zog sich die Hose aus, die er z u sammen mit dem Sweater in eine Ecke warf.
    »Torsten hätte niemals alleine rausgehen dürfen, you know«, lächelte Van Sung mir zu. »Nicht, während alle schliefen und solange Zeus neu konfiguriert werden musste.«
    »Zeus?«
    »Unser Hauptrechner!«
    Ich starrte ratlos auf die Innereien des Koffers, den jemand anders gepackt hatte: Ameisengift, Flaschen mit lateinischer Beschriftung, Bücher über Ameisen und ein Buch von Michel Ardan über Schwarmintelligenz. Dieser Trottel! Hätte der auf dem Mond wirklich sein eigenes Buch gebraucht, um zu wissen, was er tun musste? Oder hatte er es gar nicht selbst geschrieben, der Schau m schläger?
    »Torsten hatte seine Uhr sowieso nicht dabei«, b e merkte Tupac.
    Diesmal hätte ich nicht fragen müssen, was das b e deu t e te, aber Van Sung schien der Ansicht, dass er das erkl ä ren musste.
    »Der aktive Kurzwellen-RFID-Transponder in der Uhr meldet, wo du dich aufhältst, you know. Wenn deine Körpertemperatur sinkt, schlägt er Alarm. Außerdem zeichnet er deine Herzkreislaufdaten auf. Puls, Blu t druck, you know. Man kann daraus ablesen, ob du gea r beitet hast, geschlafen …«
    »Oder gewichst!« Tupac grinste in Unterhose.
    »Big brother is watching you«, bemerkte ich. »Und wo ist der tote Winkel?«
    Die beiden schwiegen, der lachende Waran und der giftige Indio. Zusammen ergaben sie eine Brillenkobra.
    »Ihr wisst doch«, sagte ich, »Orwells Teleschirme konnten auch nicht den ganzen Privatraum einsehen. Sein Held hat im toten Winkel Tagebuch geschrieben.« Ich starrte in kulturfremde Gesichter. »George Orwell, britischer Romanautor, schrieb 1948 den Roman 1984 .«
    »Du meinst«, fragte Van Sung, »wie man die Uhr überlistet?«
    Ich nickte erwartungsvoll. Alles, was mich von dem auf die Bekämpfung von Ameisen eingerichteten Koffer des irrealen Dr. Michel Ardan ablenkte, war mir wil l kommen.
    »Muss man das denn?«, fragte Van Sung.
    »Nur sterben muss man«, antwortete ich. »Computer aber kann man überlisten. Torsten hat es offensichtlich getan.«
    »Was interessiert dich Torsten?«, fragte Van Sung blinzelnd hinter Brillengläsern.
    »Aus dem Tod anderer kann man überleben lernen«, verkündete ich.
    Tupac ratzte mit den Schneidezähnen über seinen Unterlippenbart. Die Zellstoffunterhose war nicht wir k lich schick. Sie bauschte etwas um die knackigen Hüften.
    »Na gut. Wie kriege ich jetzt Zugang zum Comp u ter?«, fragte ich.
    »Du hast wohl gar nicht aufgepasst beim Training, did you?«, tadelte mich der Südkoreaner in den Grenzen se i ner lächelnden Höflichkeit.
    »Ich bin nicht trainiert worden. Man hat mich pra k tisch von der Straße weg gekapert. Wie Laika, das Mo s kauer Löckchen, auch Muttnik genannt.«
    Van Sung bemühte sich tapfer, es für einen Scherz zu halten. Tupac knallte den Koffer zu. »Dann fass hier nichts an! Raumfahrt ist kein Streichelzoo!«
    Ich machte mich hochnäsig. »Die Ardans haben die Raumfahrt im Blut, n ’ est-ce pas?«
    Die beiden schauten konsterniert.
    »Michel Ardan, so hieß der Franzose, der den Amer i kanern die erste Mondfahrt vorschlug, Mitte des neu n zehnten Jahrhunderts war das. So steht ’ s

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