Lehmann, Christine
Monsieur.«
Michel lachte laut auf.
»Falls Sie nämlich heute Abend Informationen verö f fentlichen, die Sie nur von Torsten Veith haben können und die er mithilfe von Technologien der TSE/SSF g e wonnen hat, dann würden Sie gegen das Urheberrecht verstoßen. Da kämen Schadensersatzforderungen auf Sie zu, die Sie den Rest Ihres noch jungen Lebens in Atem halten werden.«
Spinnt der?, dachte ich und meinte Richard.
»Vielleicht gibt es«, antwortete Michel, »Erkenntni s se, die der Weltgemeinschaft zustehen. Wer entscheidet denn heute, ob unsere Maschinen den Mond nach Hel i um-3 durchpflügen dürfen? Die SSF? Die NASA? Der russ i sche Präsident? Oder dieser Mond-Club, dessen Präs i dent mit Hitlers Raketenbauer verwandt ist, der später für die Amerikaner gearbeitet hat? Vielleicht befinden sich längst Atomraketen auf dem Mond, um fremde Ku l turen zu vernichten!«
Richard ließ seine asymmetrischen Augen auf dem Franzosen ruhen wie auf einem Insekt, das er gern zertr e ten hätte, und zog ein kleines Lächeln auf die Lippen. »Was genau wollen Sie der Menschheit sagen, Dr. A r dan?«
Im Innern des Leuchtturms knarrten Stufen.
Der Franzose musterte den Oberstaatsanwalt mit einer Mischung aus Bewunderung und Verachtung. »Hart wie Kruppstahl, was, Monsieur le Procureur? Sie würden Ihre eigene Mutter in Beugehaft nehmen, wenn sie Ihnen nicht Rede und Antwort steht, eh?«
Richard wurde blass. Der gelockte Imbecile ahnte nicht, wie nah er der Unwahrheit gekommen war. Erst unlängst hatte man Richards Mutter eingekastelt. Mit der Selbstbeherrschung, die ihn damals gehindert hatte, den zuständigen Staatsanwalt aus dem Fenster der Balinger Polizeidirektion zu werfen, drehte Richard sich jetzt zum See um.
Aus dem Niedergang quollen keuchend Oma, Opa, Enkel und Vater und Mutter. Lärm eroberte die Plat t form. Ein Fährdampfer grub seine schäumende Bugwelle in den See. Der blaue Himmel spannte sich bis hinüber nach Bregenz und Rohrschach.
»Schauen Sie, da drüben«, sagte Richard, »da kann man die Seebühne von Bregenz sehen. Das Bühnenbild ist stets interessant. Dieses Jahr spielt ein großes bewe g liches Auge mit. Der nächste James Bond wird dort g e dreht.«
18
»Ich lasse einem Jedem die völlige Freiheit, Geschö p fe auf den Mond zu setzen und zu dichten, von was für Leibs- und Gemütsbeschaffenheit sie sein mögen, nur bitte ich, sie so zu machen, dass sie keine Luft nötig h a ben.« Tobias Mayer, ca. 1750
»Cretin!«, schnaubte Richard, nachdem Michel Ardan sich von uns getrennt hatte und zwischen Bahnhof und Bayerischem Hof in den Gassen der Altstadt unterg e taucht war. »Dich kriege ich! Und zwar bis vor den Eu r o päischen Gerichtshof!«
»Himmelherrgott, Richard!«
»Juristisch ein hochinteressanter Fall! Bislang sind Ei gentums-, Nutzungs- und Urheberrechte im Rahmen extraterrestrischer Stationen noch nicht juristisch aufg e arbeitet. Dieser Cretin täte uns einen Riesengefallen, wenn er Informationen veröffentlichte, die er nur von Torsten Veith haben kann und die Veith mit SSF-Technologie gewonnen hat.«
Wenn Richard zu überschwänglichen Gesten geneigt hätte, hätte er sich jetzt die Hände gerieben.
»Sieh mal, Lisa: Da oben forschen Wissenschaftler und Verfahrenstechniker mit beispielloser Naivität he r um. Sie nutzen Laboreinrichtungen der EU, Lebenserhal tung s systeme der USA, Module Russlands und Japans und die Dienstleistungen Dutzender privatwirtschaftlicher Unte r nehmen. Und eines Tages macht einer eine bahnbreche n de Entdeckung oder Erfindung. Wem gehört sie dann? Und wer darf mitverdienen an ihrer Nutzung?«
»Und wenn Ardan recht hätte«, fragte ich, »wenn Torsten Veith etwas entdeckt oder herausgefunden hätte, das tatsächlich der Weltgemeinschaft zusteht?«
»Dann würde die Bundesregierung dem UN-Generalsekretär Mitteilung machen und der würde es veröffentlichen. Aber was soll Veith entdeckt haben? Er war Prozessingenieur. Und er ist, da bin ich hundertpr o zentig sicher, nicht auf Seleniten gestoßen.«
»Was?«
»Seleniten? Mondbewohner, Lisa, benannt nach der Mondgöttin der griechischen Mythologie, Selene. Du glaubst doch hoffentlich nicht Ardans Gefasel von Ru i nen auf dem Mond und extraterrestrischer Gravitationstec h nik! Nein, alles, was Veith verraten haben kann, ist Know-how, das der TSE/SSF gehört. Und niemand kann ein Interesse daran haben, dass die Chinesen die von uns entwickelten Technologien den Indern und
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