Lehmann, Christine
Haltbarkeit s datum abgelaufen ist«, nuschelte Michel um den Spargel herum. »Die zertifizierte Lebensdauer von Mondfährm o dulen belauft sich auf 129 Tage. Und nach vier Monaten immer gleich die gesamte Besatzung auszuwechseln, oder große Teile, das ist teuer! Also hat EADS-Astrium Friedrichshafen ein Konzept für Astrotourismus ent w i ckelt, und da die Superreichen, die kurz mal hundert Millionen für einen vierzehntägigen Mondtrip übrig h a ben, auch nicht unbegrenzt zu haben sind, nimmt man auch Multiplikatoren mit, Politiker, Lehrer, Journali s ten.«
Zufrieden zutzelte er die Stangen aus den Fingern. Ri chard dagegen sog den Spargel, wie es sich gehörte, mit den Köpfen voran von der Gabel. Ich pulte derweil Gr ä ten aus meinem Felchen und matschte die Currysoße mit dem Couscous und den gebratenen Bananen und he i ßen Früchten.
»Und wissen Sie was? Ich werde bestimmt nicht un te r schreiben, dass ich niemals ein Wort über extraterrestr i sche Begegnungen sage.«
»Komisch«, bemerkte Richard, »dass extraterrestr i sche Kontakte immer der Geheimhaltung unterliegen. Gena u so wie Ufos immer nachts kommen, damit wir ihre Lic h ter sehen.«
Michel blinzelte irritiert. »Es ist doch inzwischen ein offenes Geheimnis, dass die NASA seit über vierzig Ja h ren Bilder vom Mond verheimlicht, auf denen Ruinen nicht natürlichen Ursprungs zu sehen sind. Leider sehr u n scharf.«
»Und dass ausgerechnet solche Bilder immer so u n scharf sind!«, seufzte Richard hinterfotzig.
»Die Apollo-Astronauten sollen sogar eine unbekan n te Technologie zur Gravitationssteuerung aufgespürt h a ben.«
»Ach ja?«, entfuhr es mir.
»Ja, warum sind denn derzeit alle so nervös?«, warf mir Michel aus dem Mundwinkel zu.
»Sind sie das denn?«, fragte Richard.
»Ich sage Ihnen, da oben ist etwas passiert. Ameisen, heißt es, aber wer weiß … ein extraterrestrischer Schw a rm … Kennen Sie den Roman von Stanislaw Lern, wo auf einem fremden Planeten ein Schw a rm von einf a chen kleinen Roboterameisen über die Leute herfällt? Die Amerikaner bereiten sich ja seit langem auf einen extr a terrestrischen Krieg vor.«
»Und Torsten Veith hat etwas entdeckt«, platzte es aus mir heraus. »Darum musste er sterben?«
»Sacre!« Zum ersten Mal sah Michel mich an.
»Kannten Sie Torsten Veith?«, fragte ich.
»Ich kenne alle Astronauten.«
Richard winkte der Kellnerin. »Zahlen!«
Ich holte aus, um ihm unterm Tisch gegen das Bein zu treten, merkte aber noch rechtzeitig, dass mir Cipión im Weg war.
17
»Das Rennen ist eröffnet, und wir sollten es gewinnen, denn es gibt keinen anderen Weg, um einen Angriff aus dem All zu verhindern. Das erste Land, das auf dem Mond Raketen stationiert, wird die Erde kontrollieren. Das, Gentlemen, ist die wichtigste militärische Tatsache dieses Jahrhunderts.« Endstation Mond, Buch: Robert Heinlein, US-Film, 1950
Am Kai machte sich das Kaffeefahrtenpublikum da r an, das Schiff der Weißen Flotte zu entern, das schräg im Becken lag. Cipión röchelte in Richtung Altstadt, aber Richard lotste den von Wein und Eitelkeit trunkenen Ast ronauten in spe an der Hafenmeisterei entlang zur A u ßenmole. Sie wollten doch jetzt nicht den Leuchtturm erklimmen! In meinem Magen stellte das Felchen die Gräten. Cipión schnüffelte sich solidarisch protestierend an einer unsichtbaren Fäkalie fest.
Vermutlich wollte Richard auf Treppen brillieren, nachdem er beim Ringen um die Alkoholsouveränität Punkte eingebüßt hatte. Und nicht meinetwegen, auch nicht eindeutigerer Frauen wegen, als ich es war, vera n stalteten Männer ihre Kämpfe. Oh nein! Da ging es um höhere Werte: weiter pinkeln, öfter vögeln, Geld haben und Gott sein.
»Was war Torsten Veith für ein Mensch?«, fragte ich.
»Ambitieux«, warf der Franzose mir über die Schulter zu, »zielstrebig. Ihr Deutschen sagt dazu ehrgeizig. Was für ein Wort. Geizig mit der Ehre. Avare de l ’ honneur!«
»Geizig kommt aus dem Mittelhochdeutschen und be deutet ursprünglich gierig«, korrigierte Richard, immer bereit, sein bis in die Dimensionen des Unnützen rei che n des Wissen unter Beweis zu stellen.
Michel lachte. »Gierig nach Ehre! Keine Sprache ist so genau wie die deutsche.«
Richards Braue zuckte. Wie jeder echte Deutsche mochte er es nicht, als Deutscher typisiert zu werden. Er hielt sich außerdem zugute, dass er jahrelang in Argent i nien gelebt hatte.
Wir stiegen ein paar Stufen hinauf in den Trichter der
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