Lehrer-Schueler-Konferenz
Verhaltenâ nur um festzustellen, wie weit sie gehen können. Nicht annehmende Lehrkräfte stören durch ihr Verurteilen der Schülerreaktionen den Lernprozess und reduzieren damit selbst die kostbare Unterrichtszeit.
Die bewegliche Linie im sich ständig verändernden Rechteck
Selbst der annehmendste Lehrer wird dasselbe Verhalten jeweils verschieden interpretieren. Jeder verändert sich von Zeit zu Zeit in seiner Fähigkeit, andere anzunehmen. Das geschieht aus allen nur erdenklichen Gründen. Abbildung 5 zeigt die unterschiedliche Aufnahmebereitschaft eines Lehrers zu verschiedenen Tageszeiten: morgens, wenn sie ausgeruht und fröhlich, und nachmittags, wenn sie müde und missmutig ist.
Die Trennungslinie im Rechteck verschiebt sich, und wir sprechen von einer » tiefen Linie« und einer » hohen Linie«â womit ein relativ annehmender Zustand und ein relativ nicht annehmender Zustand gemeint sind. Eine Ursache einer hohen Linie ist der Charakter oder die Persönlichkeit des jeweiligen Lehrers, doch dabei sollte nicht auÃer Acht gelassen werden, dass auch die Linie des am wenigsten annehmenden Pädagogen sich in manchen Situationen nach oben und in anderen nach unten verschiebt. Genauso wird ein relativ annehmender Lehrer in bestimmten Situationen durch sein Fenster sehen und nicht annehmbare Verhalten erblicken.
Drei Faktoren treiben die Linie hinauf und hinunter: a) Veränderungen in einem selbst (Lehrer), b) Veränderungen in der anderen Pe rson (Schüler) und c) Veränderungen der Situation oder Umwelt.
Wir müssen jeden von ihnen gründlich betrachten.
Wie man Veränderungen in sich selbst (Lehrer) versteht
Wir haben gesehen, dass sich Menschen manchmal in ihrer Fähigkeit, andere zu akzeptieren, aufgrund innerer Vorgänge verändern, was in diesem Fall mit der anderen Person oder deren Verhalten überhaupt nichts zu tun hat. Das linke Fenster in Abbildung 5 zeigte die Perspektive eines Lehrers auf seinen Schüler früh am Morgen, als der Lehrer wach und freudig auf die Aufgaben des Tages blickte. Das rechte Fenster zeigte die Perspektive desselben Lehrers auf denselben Schüler 30 Minuten vor Schulschluss, als der Lehrer müde, hungrig oder womöglich genervt war, weil er noch eine lange Sitzung vor sich hatte, bevor er Feierabend machen konnte. Als Ergebnis dessen sind in dem Fenster wesentlich mehr Verhaltensweisen des Schülers als unannehmbar abgebildet, weil die Toleranzschwelle der Lehrkraft erheblich gesunken ist. Diese inneren Veränderungen können physisch wie psychisch bedingt sein. Eine Lehrerin aus einem stark bevölkerten Stadtteil erklärte:
Wenn ich erst einmal durch den morgendlichen StoÃverkehr zur Schule gefahren bin, in der Furcht, zu spät zu kommen oder in einen Unfall verwickelt zu werden, bin ich die ersten paar Minuten des Tages nicht zu gebrauchen. Es dauert ungefähr eine halbe Stunde, die verkehrsbedingte Nervosität zu überwinden.
Die Trennungslinie dieser Lehrerin würde hauptsächlich deswegen hoch liegen, weil sie schon überreizt ist, ehe sie die Schule überhaupt erreicht. Eine Kindergärtnerin, bekümmert über Probleme mit ihrem eigenen Sohn, bekannte:
Mein Sohn schwänzt die Schule und ist mehrmals mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Manchmal habe ich so groÃe Sorgen, dass ich die Kinder meiner Gruppe unversehens anschreie. Arme Kerlchen! Meistens haben sie gar nichts getan!
Entscheidend ist natürlich, dass Lehrer keine Maschinen sind, die unfehlbar und gefühllos funktionieren. Und da sie Menschen sind, handeln und reagieren Pädagogen von Augenblick zu Augenblick, von Stunde zu Stunde, von Tag zu Tag anders. Menschlich sein heiÃt unvermeidlich inkonsequent seinâ unbeständig, veränderlich und nicht voraussagbar.
Wie kommt es zu unterschiedlichen Gefühlen gegenüber verschiedenen Schülern?
Die Abbildung 6 auf Seite 50 zeigt die Perspektive eines Lehrers im Hinblick auf das Verhalten zweier Schüler. Das Sternchen zeigt ein besonders störendes Verhalten an, zum Beispiel Sprechen mit einem Nachbarn während einer Klassenarbeit. Was bei Lisa nicht akzeptiert wird, ist Felix erlaubt. Der Lehrer betrachtet das gleiche Verhalten zweier Schüler auf gänzlich verschiedene Weise, einfach deswegen, weil Lisa gerade gesagt worden ist, sie möge nicht sprechen (und nun hat sie es getan), während Felix keine
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