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Lehrerkind

Lehrerkind

Titel: Lehrerkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Bielendorfer
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hatte wirklich das Sozialverhalten eines Teichmolchs, sein hämisches Grinsen brannte in meinem Nacken, während ich den Rest des Morgens damit verbrachte, seine Hinterlassenschaft vom Schulkloboden zu wischen.
    Etwas musste sich ändern, so viel war selbst mir allmählich klar.

Mein Vater, Chuck Norris
    »Schau mal, normalerweise ist es so, Eltern sagen ihren Kindern, sie sollen keine Gewalt anwenden, sich bloß nicht prügeln und am besten die Gemeinheiten der anderen ignorieren. Jedes Problem lässt sich auch durch ein Gespräch aus der Welt schaffen. Das sagen sie, weil sich Probleme halt nicht mit Gewalt lösen lassen und die anderen Kinder sich, wenn man sie ignoriert, irgendwann langweilen und aufhören, einen zu ärgern. Ganz knapp gesagt: Das ist eine Lüge, ein Schwindel, ein Scherz unserer ja so zivilisierten Welt, in der sich am Ende alle an den Händen fassen und ums Lagerfeuer tanzen. Gewalt ist sehr wohl manchmal der einfachste Weg, ein Problem zu lösen, wir Eltern sagen das nur nicht.
    Weißt du, die alten Römer haben schon gesagt: ›Wenn du einen Baum nicht umrunden willst, fälle ihn.‹ Der einzige Weg, wie du es schaffst, dass diese kleine Kröte dich nicht für die nächsten acht Jahre piesackt, ist, ihm einfach mal gehörig was auf die Pickel-Fresse zu hauen«, sagte mein Vater und versenkte mehrmals seine geballte Faust in der linken Hand.
    »Ich soll ihn schlagen?«, fragte ich meinen Vater ungläubig, die Idee hatte er wohl aus einem Pädagogikratgeber von Chuck Norris.
    »Richtig, hol einfach mit deiner Faust aus, täusche zuvor mit der anderen Hand an« (während der Erzählung demonstrierte er die einzelnen Schritte des Kampfes mit seinen Händen) »und gib ihm einen zentralen Schlag auf die Nase. Das tut sauweh, wahrscheinlich wird er vor der ganzen Klasse anfangen zu flennen, und du hast es ein für alle Mal hinter dir!«
    »Und was soll sich dadurch ändern, dass ich den Michael Robenzek schlage?«, fragte ich ungläubig.
    »Alles, einfach alles.« Und damit setzte mein Vater zu einem längeren Monolog darüber an, wie viele bekannte Personen Gewalt angewandt hatten, um ihre Ziele zu erreichen. Als ihm schließlich nur noch Beispiele wie Mao Tse-tung und Stalin einfielen, wanderte sein Erzählfaden weg vom Genozid und zurück zu Michael Robenzek.
    Ich war nach dem Schulklodebakel nach Hause zurückgekehrt. Nachdem ich zwei Stunden lang den siffigen Boden gewischt hatte, roch ich wie ein Seniorenschlüpfer und fühlte mich auch so. Mein Vater hatte mich an der Haustür empfangen, und mein verheultes Kindergesicht hatte ihm augenblicklich alle relevanten Fakten vermittelt.
    Dicke, rote Backen. Check. Rotzfäden, die sich vom Geheul übers Gesicht ziehen. Check. Geruch von Meister Propper und Schulfußboden. Check.
    Fazit: Mein Sohn ist ein dicker Verlierer, dessen Selbstwert geringer ist als der Intellekt eines Einzellers. Braucht dringend Ausbildung in Guerillakampf und Selbstverteidigung.
    »Weißt du, als Lehrer kenne ich solche Kinder wie den Michael Robenzek natürlich, das sind die, deren Eltern ihnen gebetsmühlenartig eintrichtern, dass man sich wehren muss, dass man sich nichts gefallen lassen darf. Dass diese Eltern ihre Kinder zu kleinen Schulhofpsychopathen erziehen, fällt erst auf, wenn die ersten Verweise drohen.«
    Den Widerspruch, dass mein Vater auf der einen Seite eine derartige Erziehung ablehnte und mich nun gleichzeitig genauso erzog, ignorierte ich einfach. Ich fokussierte in meinem Kopf den einen Gedanken: »Ich werde Michael Robenzek schlagen!«

Der Rachehoden
    Mittwochmorgen, Viertel vor acht, die Schulglocke tönte den müden Legionen von Kindern entgegen, die sich durch das kalte Novemberwetter geschlagen hatten. Es war noch stockdunkel, in der Luft lag ein eisiger Wind, der den baldigen Schnee ankündigte, bisher jedoch nur halb gefrorenen Regen herantrug.
    Ich stand vor der Schule. Meine Jacke war längst durchnässt, an meiner blauen Jeans bildete sich ein kaltes Rinnsal, das Wasser floss langsam in meine Schuhe. Ich wartete auf das personifizierte Böse, meine Nemesis, meinen Lex Luthor, den Jungen, der jeden Tag der letzten Monate zum Kreuzweg für mich gemacht hatte und der die paar mickrigen Überreste sozialer Akzeptanz, die ich bei meinem Mitschülern noch genoss, mit Witzen und Beleidigungen zerschlagen hatte. Michael Robenzek.
    Eigentlich war Michael Robenzek nur ein kleiner Junge in kurzen Hosen, doch jedes Detail an ihm war schon jetzt so

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