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Lehrerkind

Lehrerkind

Titel: Lehrerkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Bielendorfer
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grauen Kabinentür entgegen, auf die ein Mitschüler die Silhouette eines Frauenkörpers gekritzelt hatte.
    Das Bild sah aus, als hätte ein betrunkener Schimpanse Angela Merkel als Pin-up-Girl gemalt, Phantasien eines Zehnjährigen. Hektisch verschwand ich in der Kabine und hockte mich auf das eiskalte Porzellan.
    Plötzlich sprang die Tür des Schulklos auf, donnernd knallte sie gegen die weiße Kachelwand und ließ mich kurz vom kalten Boiler aufspringen.
    Wer konnte das sein? Waren alle meine kleinkindlichen Befürchtungen wahr geworden, würde ich jetzt von Skeletor in die Schattenwelt gezerrt werden?
    Rhythmisch taperten kleine, blockartige Füße über die kahlen Kacheln, bei jedem Schritt schoss ein gelber Blitz über den Boden. War es der Teufel, der gekommen war, mich zu holen?
    Ich als kleiner Heide, ein ungetauftes Lehrerkind, bereute sofort, dass ich mir nicht Jahre zuvor das bisschen heilige Suppe über den Scheitel gegossen hatte, dann hätte ich jetzt wenigstens einen Gott zum Anflehen gehabt.
    In meinem Bauch fuhr ein wahnsinniger Bierkutscher Karussell. Zum Glück saß ich schon auf dem Klo, das war wirklich gut in diesem Moment.
    Plötzlich erbebte der Raum unter dem fiepsigen Organ eines Zwölfjährigen.
    »Biiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiieeeeeeeeeellllendorfer«, schrie er. Die Stimme klang schrill wie die eines Mönches, der im Kohlenkeller Unzucht mit einer Ziege treibt.
    Es war Michael Robenzek, mein persönlicher Klassenfeind, der Junge, der mich mit einer so abstrusen Begeisterung hasste, dass man ihn für seinen Eifer fast schon bewundern musste.
    Er trug seine neuen Adidas-Sportschuhe mit Pumpverschluss, die bei jedem Schritt das surrende Geräusch eines Laserschwerts erzeugten. State of the Art.
    Auf meinen Schuhen winkte mir ein androgyner He-Man mit Prinz-Eisenherz-Frisur zu. Kein Laserschwertgeräusch, nicht mal Klettverschluss. Ich war ein Oldschool-Loser.
    Die persönliche Ansprache ließ mich schon erahnen, dass Michael Robenzek nicht zur normalen Bedürfnisverrichtung angetreten war, nein, er wollte vermutlich einen neuen Meilenstein auf seinem Kreuzzug gegen dickliche Streber wie mich setzen.
    Ich klammerte mich an den Pott wie ein gestörtes Affenjunges, während Michael Robenzek meiner Kabine mit jedem Klirren seines Fußsäbels näher kam.
    Ich versuchte mich selbst in der Toilette herunterzuspülen, in Comics klappte so was, in der Realität hatte ich jetzt nur die Hose nass und sah aus, als hätte ich mich selbst beschmutzt. Das war würdelos.
    »Bieeeeeeeeeeeeeeeelllllllendorfer«, brüllte Robenzek erneut. Der Junge war kreativ wie ein Bandwurm und leider ebenso lästig.
    Plötzlich durchbrach ein lautes Tröpfeln die angespannte Stille. Eine kleine, schamvolle Lache bildete sich unter meinen Füßen, Michael Robenzek pisste mir gerade vor die Tür.
    »Ich pisse dir gerade vor die Tür, Biiieeeeelendorfer«, illustrierte er für mich seine Handlung, als ob ich das nicht selbst gemerkt hätte.
    Kurz dachte ich daran, die Tür aufzutreten und Michael Robenzeks winzigen Wutz zu Mus zu pürieren. Ich tat es nicht. Ich war einfach ein Schisser.
    Als Robenzek fertig war, verließ er das Klo ebenso schnell, wie er aufgetreten war, die Luft war wieder rein. Was sollte das? So was Sinnloses.
    Ich öffnete vorsichtig meinen Verschlag und linste in Richtung Ausgang, doch sofort sprang die Tür wieder auf. Robenzek war zurückgekehrt. Was wollte er jetzt, ein Häuflein in meine Jackentasche machen?
    Nein, neben ihm schälte sich die turmhohe Silhouette unseres Hausmeisters Herrn Schuster aus der kalten Kloluft.
    Robenzek deutete mit seinem kleinen, schrumpeligen Finger auf mich und die Lache aus Lulu unter mir, in der mein Schuh-He-Man gerade seine Haare wusch.
    »Herr Schuster, sehen Sie mal, der Bielendorfer hat sich in die Hose gemacht.«
    Robenzek war mein vergeblicher Versuch, mich im Klo runterzuspülen, nicht entgangen. Herr Schuster, ein grobschlächtiger, alter Mann mit starrem Säuferblick und roter, grobporiger Nase reagierte, wie es Robenzek erhofft hatte.
    »Biieeeeelendorfer«, brüllte er wie ein riesiger Robenzek. Dann packte er mich am Nacken und zog mich mit vollgepullerter Hose über den Schulflur, als wäre ich ein Katzenjunges.
    »Das machst du sauber!«, dröhnte er, und meine langwierige Erklärung, dass Robenzek der Täter sei, hätte selbst eine gutwillige Jury aus senilen Rentnern nicht überzeugt.
    Das war eine neue Dimension der öffentlichen Blamage. Dieser Robenzek

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