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Lehrerkind

Lehrerkind

Titel: Lehrerkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Bielendorfer
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mussten.
    »Diese Enten sind auch nur eine Vier, irgendwie plump und dumm«, stellte Wilfried fest. Wir nickten, ich war jedoch nicht sicher, ob die Enten von uns allen nicht womöglich die größte Menschenkenntnis vorzuweisen hatten.
    Ein paar Tage später standen wir vor der Buchhandlung, ich hing an der Hand meines Vaters, Wilfried hatte seinen feinsten Anzug angelegt und sah aus wie ein bulgarischer Autoschieber auf Brautschau. Mein Vater nannte uns »Komplizen«, und ich fand das gut, auch wenn ich nicht wusste, was es bedeutete. Es war ein kühler Montagnachmittag, meine Mutter brauchte ihre Ruhe und schickte mich und meinen Vater auf den Spielplatz. Wenn sie gewusst hätte, dass der Tag mit einem Polizeieinsatz enden würde, hätte sie sich vielleicht anders entschieden.
    Zuerst betrat ich den Buchladen, so wie es der mehrstufige Masterplan meines Vaters vorsah. Ich nahm zielsicher ein Buch aus dem Regal, präparierte es und stellte mich an die Kasse, an der Gundula Götze die Bücher totschlug. Als ich an der Reihe war, blätterte ich die erste Seite auf, legte das Buch auf die Kasse und zeigte mit meinem kleinen Finger auf die Mitte des Blattes. Dort stand in einer sehr serifenreichen Schrift:
    »Frau Götze, wollen Sie Ihr wahres Glück finden? Treffen Sie mich vor dem Buchladen um 18 Uhr! Gezeichnet: Der Unbekannte.«
    Gundula Götze las die Nachricht, die Worte flossen geradezu durch ihren riesigen Kopf und kitzelten den letzten Rest an Leben heraus, der sich in ihr versteckt hielt. Sie sah den kleinen Jungen mit der Schweinemütze an, und ein Lächeln entstellte ihr Gesicht. Der Junge mit der seltsamen Mütze drehte sich um und ließ das Buch an der Kasse liegen.
    Punkt 18 Uhr stand Wilfried vor der Buchhandlung, er hielt eine Rose in der Hand, die langsam im kalten Wind ihren Kopf senkte. Um 18 Uhr schossen die Leute wie getriebenes Vieh aus dem Buchladen, denn in guter westfälischer Tradition waren Kunden ab Ladenschluss nur noch störender Ballast, der vertrieben gehörte wie Filzlausbefall. Am Ende der Menschenmenge stand Gundula Götze und blickte unsicher aus dem beleuchteten Fenster der Buchhandlung. Die Menschenmenge löste sich schnell auf, und übrig blieb nur noch Wilfried, der dastand, als würde ihm gleich die Ehrendoktorwürde verliehen. Sein blockartiger Kopf war hochrot geschwollen, die Rose in seiner Hand weinte Blütenblätter. Gundula trat durch die Tür, ein leichter Nieselregen setzte ein, ich verbarg mich unter dem Jackenzipfel meines Vaters. Wir standen an einem Mauervorsprung gegenüber.
    Komplizen.
    Mein Vater hatte Wilfried klare Instruktionen erteilt, was er wie zu sagen hatte. Wichtigstes Element war: »Lass sie nicht zu Wort kommen, erzähl erst mal was, dein Charme macht dann den Rest.« Die Wahrheit war, dass Onkel Willi den Charme eines übernächtigten Lkw-Fahrers hatte, der ein Gesicht auf seine Thermoskanne voller Schweinemett malt. Charme war sicherlich nicht seine Geheimwaffe, also verließ er sich auf den ersten Hinweis meines Vaters und fing einfach an, ohne Unterlass zu reden.
    »Frau Götze, wie schön, dass Sie da sind. Mein Name ist Wilfried, Wilfried Schmitt, ich denke Sie kennen mich. Ich möchte Ihnen heute ein Angebot machen, das Sie nicht abschlagen können. Ich liebe Sie, ja wirklich, ich liebe Sie so sehr. Mit welcher ausgenommenen Zärtlichkeit Sie die Bücher kassieren, wie Ihnen immer ein kleines Lächeln bei schlechten Romanen über das Gesicht huscht und wie Sie Ihren Kaffee trinken, schwarz wie der Po eines arabischen Hengstes. Sie sind wirklich eine glatte Eins.«
    Gundula Götzes Mund öffnete sich, doch bevor sie Wilfrieds absurdes Gebrabbel erwidern konnte, holte er einen Gegenstand aus seiner Jackentasche, wegen dem er in jedem amerikanischen Film versehentlich von der Polizei erschossen worden wäre.
    »Hier ist das Liebesthermometer, und wie Sie sehen können, steht es derzeit auf ›Brennende Herzen‹, was daran liegt, dass ich es in der Hand halte. Ich würde Sie bitten, dass Sie es auch mal in die Hand nehmen, dann können wir rein empirisch Ihre Gefühle für mich einschätzen.«
     
    Mein Vater musste lachen, als er sah, wie Wilfried mit dem seltsamen Ding hantierte. Er hatte ihm aus einem Scherzartikelgeschäft das »Liebesthermometer« beschafft, weil Willi darauf bestanden hatte. Mein Vater musste sogar so lachen, dass die Jacke verrutschte, die er im Regen über mich gespannt hatte.
    Gundula Götze reagierte nicht, wie es

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