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Lehrerkind

Lehrerkind

Titel: Lehrerkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Bielendorfer
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ersten drei Klassen Gymnasium nicht verbessert hatte und wegen dem nun eine Versetzung in die eher handwerksorientierte Gesamtschule anstand.
    Elternsprechtag war der Tag der enttäuschten Ansprüche, der übertriebenen Erwartungen und der möglichst flauschigen Verpackung von höchst unangenehmen Themen. Selbst das Gespräch mit den Eltern eigentlich sehr guter Schüler konnte unangenehm werden, da diese oft ein gesteigertes Interesse daran zeigten, die wirklich ordentliche Leistung ihrer Kinder ins Genialische zu erhöhen.
    Zum Reizwort für alle Lehrer war der Begriff »Hochbegabung« geworden, und der Elternsprechtag war eindeutig der Tag im Jahr, an dem dieses Wort am häufigsten benutzt wurde.
    Da hatte irgendein Bildungsforschungsinstitut aus Wanne-Eickel den ambitionierten Wohlstandseltern ein Dokument ausgestellt, welches den kleinen Maximilian als Heiland einer neuen Bildungselite auswies. Nun stand der Lehrer, oftmals auch mein Vater, vor der Frage, ob der kleine Maximilian einfach nur überdurchschnittlich leistungsfähig war oder ob man sich nicht doch vielleicht schon einen Lehrstuhl in Cambridge vorreservieren lassen sollte?
    Dass die Eltern an Zweiteres dachten, versteht sich von selbst, und es ist auch niemandem vorzuwerfen, sein eigenes Kind in einem positiven Licht zu sehen.
    Jedoch ist das Etikett »Genie« nicht zwingend der Garant für ein glückliches Leben, und so sollte ein Lehrer stets ausloten, wo zwischen der übertriebenen Erwartungshaltung der Eltern und der nüchternen Wirklichkeit das Glück des Kindes seinen Platz finden könnte.
    Besonders gern wird von vielen Eltern auch argumentiert, ihr Kind stehe am Ende des Jahres nur deshalb mit so schlechten Noten da, weil der Schulstoff es »unterfordert« habe und es sich während des Unterrichts langweile.
    Das Problem für den Lehrer liegt nun darin, dass er abwägen muss, ob das betroffene Kind wirklich unterfordert ist oder ob es andere Gründe gibt, warum das Kind den Großteil der Zeit so viel Anteil am Unterricht nimmt wie ein schwermütiger Wiederkäuer.
     
    »Und, schon wieder Elternsprechtag?«, rief meine Mutter meinem Vater mit ein wenig Schadenfreude zu. Er wackelte durch unser Haus wie ein Duracellhäschen auf Starkstrom und schlug die Tür mit einem genervten »Jaaaa« hinter sich zu.

Meine erste Liebe
    Isabella Calotti schoss ein dicker, grüner Strahl Waldmeistereiscreme aus der Nase, der auf meiner Wange landete und kalt an ihr herunterrann.
    Isabella sprang auf, ihr türkisfarbenes Oberteil war über und über bekleckert, sie hustete, als hätte sie gerade eine Waterboarding-Folter durchlitten. Dabei hatte ich nur geredet. Ich hatte viel geredet, so viel, dass Isabella als Antwort nur Brechreiz parat hatte. Ich redete einfach weiter, als wäre nichts passiert, so viel Aufregung war einem Neunjährigen einfach nicht zuzumuten. Vielleicht war auch meine Einladung zu fünfzehn Kugeln Eis einfach zu viel für ihren schmalen Körper gewesen, sie hatte zwar höflich Kugel um Kugel in sich hineingeschaufelt, doch als sich ihr Gewicht fast verdoppelt hatte, blies Isabella die fünfzehn Kugeln einfach wieder heraus, als hätte sie ein Überdruckventil eingebaut.
    Ein hübsches Überdruckventil, ist zu bemerken, meine erste Liebe: Isabella Calotti.
     
    Isabella hatte das zweifelhafte Glück, im Kunstunterricht der zweiten Klasse meine Banknachbarin zu sein. So wohnte sie einigen meiner Versuche bei, das moderne Kunstgeschehen zu revolutionieren, indem ich in jeder Unterrichtsstunde etwas zu Papier brachte, das nicht mal im Entferntesten an die Arbeitsaufgabe erinnerte. Irgendwo war bei mir zwischen Hirn und Hand der Informationsfluss abgerissen. Sollte ich einen Vogel malen, kam dabei ein Hund mit fünf Beinen heraus, dessen Nase sich erstaunlicherweise auf seinem Rücken befand und der statt Federn ein Euter hatte. Meine malerischen Missgeburten erzeugten bei Isabella wahrscheinlich Mitleid, und einen besseren Nährboden für die aufkeimenden Gefühle eines dicken Kindes konnte es gar nicht geben.
    Sie war winzig klein, hatte Rehaugen und ungebändigtes, schwarzes Haar, das sie stets mit einer türkisfarbenen Spange im Zaum hielt. Alles an Isabella Calotti war türkis, ihre Haarspange harmonierte hervorragend mit ihrem türkisen Oberteil, ihren türkisfarbenen Leggins und ihren ebenso gefärbten Schuhen. Ich war spontan verliebt, vielleicht auch, weil es keine absurdere Paarung gegeben hätte als mich und Isabella, einem

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