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Lehrerkind

Lehrerkind

Titel: Lehrerkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Bielendorfer
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und fiel wie ein nasser Sack auf die Betonplatte unter mir. Dann furzte ich einmal laut, bevor ich die Besinnung verlor.
    Germany twelve points!

Die Bundesjugendspiele
    Befürworter der Bundesjugendspiele argumentieren, die Veranstaltung habe durchaus eine Existenzberechtigung, da leistungsschwache Schüler mit ihrer Hilfe fernab des schulischen Alltags einmal ein Erfolgserlebnis feiern könnten. Übersetzt heißt das: »Das Kind ist zwar doof wie drei Meter Feldweg, kann aber weit springen, also gebt ihm die Medaille!«
    Für mich waren die Bundesjugendspiele immer der Anlass für öffentliche Schmach, seit meiner ersten Teilnahme in der Grundschule verfluchte ich diesen Tag. Auch auf dem Gymnasium gab es sonst kaum eine Gelegenheit, die so viele Möglichkeiten bot, ausgiebig zu versagen. Nicht nur eine, gleich eine Handvoll Disziplinen gaben mit Blick auf meinen Körper, der eher wie eine menschgewordene Puddingbrezel wirkte, Anlass zur Sorge. Ich war überdurchschnittlich groß, überdurchschnittlich breit und überdurchschnittlich beschissen in jeder Art von Sport. Ich warf wie eine Vierjährige, sprang so weit wie eine Oma in seniler Bettflucht, und beim Laufen schleuderten die Zentrifugalkräfte mein teigiges Speckbäuchlein hin und her wie einen Pizzafladen. Außerdem gab es kaum einen Sportanzug in meiner Größe, der nicht das Attribut »entwürdigend« verdiente hätte und von meinen Eltern nicht mit einem herzhaften Lachen belohnt worden wäre. Einmal druckte mein Vater sogar ein Bild von mir im Sportanzug auf eine seiner Neujahrsgrußkarten und setzte den Satz »Im nächsten Jahr wird alles besser« darunter.
    Die Bundesjugendspiele waren eine Farce für dicke Kinder wie mich. Einmal im Jahr bekam man die verbriefte Bestätigung, eine arme Wurst zu sein, immer in Form eines blanken Stück Papiers, auf dem statt »Du kannst nix und bist blöd« einfach »Teilnehmerurkunde« stand.
    »Teilnehmerurkunde« war sowieso der euphemistischste Begriff aller Zeiten, warum bekam man eine Urkunde, wenn man einfach nur »da« gewesen war. Anwesenheit ist keine Leistung, man bekommt ja auch keinen Pokal dafür, dass man geboren wird oder mit dem Bus nach Hause fährt. Auf dem billigen Vordruck stand immer krakelig mein Name mit Filzstift in ein freies Feld eingetragen, meist hatte der Sportlehrer, der mich mit fast schon bemerkenswertem Engagement verachtete, ihn sogar falsch geschrieben. Da stand dann »Sebastian Bielendörfer« oder »Bastian Bielefeld«. Ich war also noch nicht einmal ein Teilnehmer, nein, mein Beisein in der Veranstaltung war nicht einmal die Erwähnung meines Namens wert.
    Natürlich gab es auch höhere Ehren als die schnöde Teilnehmerurkunde, anderen Kindern winkten die zweifelhaft benannte »Siegerurkunde« oder, in Einzelfällen, sogar die persönlich vom Bundespräsidenten unterschriebene »Ehrenurkunde«.
    Eigentlich traurig, dass das einzige Dokument in einer gesamten Schullaufbahn, das vom Bundespräsidenten signiert wird, eine Bestätigung darüber ist, dass man einen Klops aus Leder über 30 Meter geschleudert hat. Ich hätte mich gefreut, mal unter einer besonders guten Deutschklausur zu lesen: »Sehr gut, Bastian, vielen Dank für die tolle Klausur, weiter so! Dein Richard von Weizsäcker.« Nichts da, weder der Bundespräsident noch die restlichen Zuschauer der Veranstaltung schienen sonderlich viel für mich übrig zu haben.
    Besonders fürchtete ich den Staffellauf. Bei den anderen Disziplinen bestand zwar auch die Gefahr, als Vollhorst dazustehen, beim Staffellauf zog man aber gleich noch den Zorn aller Mitläufer auf sich. Der Staffelstab war ein glänzendes, dildogroßes Metallstöckchen, an dem die zerplatzten Hoffnungen von Generationen von Schülern klebten, die Handabdrücke von meinen vielen erfolglosen Vorgängern.
    Obwohl man die Bundesjugendspiele immer im Sommer veranstaltete, pisste es im Regelfall wie aus Eimern, nach einer halben Stunde stand der Sportplatz knietief unter Wasser und die paar Elternpaare, die ihren Kindern zujubeln wollten, hatten sich durchnässt mit ihren dösigen Fähnchen unter ein Vordach gestellt. Meine Eltern erschienen in sicherer Erwartung meiner Blamage von vornherein nicht, und ich hätte es ihnen gern gleichgetan.
    Vor dem Termin erkrankte ich wie auf Kommando an einer Menge exotischer Krankheiten. Ich suchte mir die entsprechenden Begriffe aus diversen Lexika heraus, am besten waren immer Krankheiten, deren Diagnose äußerst schwierig

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