Lehtolainen, Leena
während sich Jack zur Seite warf, schaffte ich es, die vier Ziffern des Codes einzutippen.
Die Torflügel schoben sich langsam auf, ich sah zwei Polizeiautos und einen Mann im Helm, bevor der nächste Schuss krachte. Es war, als hätte ein kleiner Stein meinen Schuh durch-schlagen und ein zweiter durch das Hosenbein hindurch meine Wade geschrammt. Ich sah Jack nicht einmal an, als ich zum zweiten Mal abdrückte. Dann sackte ich hinter dem Komposter zusammen und spürte, dass mein Schuh klebrig wurde. Irgendwer brüllte entsetzlich, zwei Polizisten mit Helm und Schutz-schild rannten an mir vorbei.
«Was für ein Meisterschütze liegt denn hier?», hörte ich eine Stimme über mir, bevor mein Bewusstsein sich abschaltete.
Achtzehn
Achtzehn
Später erfuhr ich, dass ich nicht ohnmächtig geworden war, sondern mich völlig vernünftig benommen hatte. Ich hatte meinen Namen genannt und berichtet, was passiert war, hatte mich zur Notaufnahme fahren lassen, wo eine Schrotkugel aus meinem großen Zeh entfernt und die Wunde gesäubert wurde, die die zweite Kugel gerissen hatte. Dann hatte ich erklärt, ich wolle jetzt nach Hause. Der Dienst habende Arzt erkannte die Schocksymptome und behielt mich zur Beobachtung in der Poliklinik. Angeblich war ich bis zum Morgen wach geblieben. Das Nächste, was ich nach den zwei behelmten Polizisten bewusst wahrnahm, war Kriminalhauptmeister Koivu, der am nächsten Morgen gegen neun Uhr an meinem Bett stand. Eine nach süß-
lichem Parfüm riechende Krankenschwester neben ihm fragte, ob ich ein Schmerzmittel wolle. Da wurde mir klar, dass ich im Krankenhaus lag und in der Nacht vielleicht ohne meine Zustimmung untersucht worden war.
«Nein. Ich will nach Hause.»
«Nun mal langsam. Schaffen Sie es, die Fragen des Kriminal-beamten zu beantworten?»
«Ja, das schaffe ich.»
«Es dauert auch nicht lange», sagte Koivu und setzte sich an mein Bett. «Die Kollegen von der Schutzpolizei haben Sie ja schon befragt, und Jonna Ritola kommt in ein paar Stunden aufs Revier, um ihre Aussage zu machen, aber ich würde gern ein paar Punkte überprüfen. Sie werden als Zeugin vernommen, es geht um Hausfriedensbruch und versuchten Mord.»
«Habe ich Jack erschossen?» Ich erinnerte mich nur an das entsetzliche Brüllen, das aus der Richtung des Hauses gekommen war.
Auf Koivus Gesicht breitete sich ein Lächeln aus.
«Sie sind sicher keine so ganz geübte Schützin. Ihr zweiter Schuss hat einen Topf mit Heidekraut getroffen, der auf dem Balkon hing und Jari Halme direkt auf den Kopf gefallen ist.»
«Das Heidekraut? Aber da hatte ich doch vorgestern …» Ich fing an zu kichern, denn gerade vor zwei Tagen hatte ich intensiv riechenden Hühnerdung unter die Erde gemischt.
«Halme hatte Erde in den Augen, er konnte nichts mehr sehen und ließ die Schrotflinte fallen. Es war nicht schwer, ihn zu erwischen. Er ist jetzt vorläufig festgenommen, der Haftbefehl ist beantragt. Ich weiß, dass Ihr Waffenschein in Ordnung ist, aber trotzdem würde ich empfehlen, nicht mit einer Waffe rum-zufuchteln, wenn Sie nicht schießen können», grinste Koivu.
«Aber kommen wir zur Sache, damit ich Sie bald in Ruhe lassen kann. Wie ist Jari Halme auf das Gelände des Schutzhafens gelangt?»
Ich berichtete vom Anruf der Frau, die offenbar Jacks Helferin gewesen war. Die anschließenden Ereignisse purzelten in meiner Erinnerung kunterbunt durcheinander. Koivu schien sich vor allem dafür zu interessieren, welche Drohungen Jack von sich gegeben und wie viele Schüsse er abgefeuert hatte. Was ich getan hatte, schien nebensächlich zu sein.
Nach einer Viertelstunde reckte Koivu sich und stand auf. An der Tür drehte er sich noch einmal zu mir um und sagte: «Schö-
ne Grüße von Hauptkommissarin Kallio. Sie lässt Ihnen ausrichten, Sie wären ein ganz schön kaltblütiges Frauenzimmer.»
Das klang eher nach einer Drohung als nach einem Lob. Vielleicht würde Kallio die Todesfälle rund um den Schutzhafen noch einmal genauer unter die Lupe nehmen. Mein Zeh schmerzte, meine Kleider waren schmutzig. Ich wollte nach Hause, in die Einsamkeit und Geborgenheit meiner Wohnung.
Noch am gleichen Abend wurde ich entlassen. Die Schrotkugel hatte den linken großen Zeh gebrochen, daher würde ich in den nächsten Wochen nicht gut gehen können. Die Ärztin schrieb mich drei Wochen krank und hätte mir sogar noch mehr Genesungsurlaub gegeben, wenn ich es gewollt hätte. Wahrscheinlich dachte sie, das Trauma durch die
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