Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Lehtolainen, Leena

Titel: Lehtolainen, Leena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeit zu sterben
Vom Netzwerk:
um wen es sich handelt. Von wem hast du die Nachricht?», fragte Wang ihren Kollegen, der seine Verblüffung überwunden hatte und so ernst aussah, wie es sich für einen routinierten Polizisten gehörte.
    «Streife hundertfünf hat die Meldung durchgegeben. Der Nachbar in der darunter liegenden Wohnung hat den Hausmeister alarmiert, weil in seinem Flur Wasser von der Decke tropfte. Der Hausmeister hat erst bei Väätäinens geklingelt, aber als niemand aufmachte und auch keiner ans Telefon ging, ist er mit dem Universalschlüssel in die Wohnung. Im Badezimmer hat er ein überlaufendes Waschbecken, einen voll aufgedrehten Wasserhahn und die Leiche von Ari Väätäinen vorgefunden.»
    Wang unterbrach Koivu und schob ihn zur Tür hinaus. Sie hatte mit Sicherheit das Schuldgefühl bemerkt, das ich ausstrahlte. Ein laufender Wasserhahn und eine Leiche im Badezimmer. Warum hatte Koivu nichts von dem Rasierapparat gesagt? War es doch nicht so passiert, wie ich es geplant hatte?
    Während mir eine Frage nach der anderen durch den Kopf schoss, streichelte ich Sirpa, die wieder auf ihren Stuhl gesunken war, und redete tröstend auf sie ein. Am liebsten hätte ich ihr gesagt, es lohne nicht, um einen Schurken wie Ari zu weinen. Aber das würde sie sicher bald selbst einsehen.
    Nach ein paar Minuten kamen Wang und Koivu zurück. Sie sagten, Sirpa könne mit ihnen fahren. Sie fragten mich gar nicht erst, ob ich mitkommen wollte, sie hielten es wohl für selbstver-ständlich. Die Frau, die gestern an Ari Väätäinens Rasierapparat herumgepfuscht hatte, war eine andere Säde Vasara als die, die jetzt mit Sirpa und den Beamten in die Tiefgarage ging und in einem Polizeifahrzeug Platz nahm. Die Säde Mielikki Vasara, die da im Auto saß, war zuverlässig, vernünftig und empathisch. Sie stellte die Bedürfnisse der anderen immer ihren eigenen voran.
    Sie würde die versengte Leiche identifizieren, um Sirpa den Schock zu ersparen, und sie würde sich um alle praktischen Angelegenheiten kümmern. Sie war ohne Fehl und Tadel.
    Die andere Säde hatte ein Verbrechen begangen und würde irgendwann dafür bezahlen müssen.
    Vor dem Haus standen zwei Streifenwagen und ein Rettungs-wagen sowie Scharen von Neugierigen. Wang bat uns, im Auto zu bleiben. Koivu leistete uns Gesellschaft. Etwas später wurde er von einer uniformierten Polizistin abgelöst, die sich als Hauptwachtmeister Liisa Rasilainen vorstellte. Sie wusste nur, dass es sich offenbar um einen Unfall handelte.
    Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis Wang kam, um uns zu holen.
    «Säde, würden Sie kurz aussteigen?», fragte sie. Ich stieg ganz ruhig aus dem Wagen. Die Säde Vasara, die vor dem Haus der Väätäinens stand, hatte nichts getan.
    «Halten Sie es für richtig, dass Sirpa hineingeht? Sie braucht die Leiche nicht zu sehen, wenn sie es nicht unbedingt will. Die Identifizierung ist hundertprozentig sicher. Es ist tatsächlich Ari Väätäinen.»
    «Sieht er sehr schlimm aus?»
    «Nein. Die wahrscheinliche Todesursache ist Herzstillstand, ausgelöst durch einen Stromschlag. Für die endgültige Bestätigung müssen wir die Obduktion abwarten.»
    «Es kann eine Erleichterung für Sirpa sein, wenn sie mit eigenen Augen sieht, dass Ari tot ist», antwortete ich, aber ich erschrak vor der Verantwortung, die mir aufgebürdet wurde. Wo-möglich wurde Sirpa von einem Albtraum in den nächsten gestoßen.
    Wir gingen in den ersten Stock hinauf. Der Flur war voller Polizisten, die Sanitäter klappten ihre Trage auf. Sirpa presste meine Hand, als wir das Bad betraten. Aris Leiche lag unter einer dunkelgrünen Plane auf dem feuchten Fußboden. Am Rand der Kloschüssel klebte Blut.
    «Zeigt ihn mir», wisperte Sirpa. Koivu hob vorsichtig die Plane an. Ich schloss die Augen, zwang mich dann aber hinzu-sehen.
    Ari Väätäinens verzerrtes Gesicht erinnerte mich an den aus-gestopften Wolf, der in unserer Schule in einer Vitrine gestanden hatte. Aris nackter Oberkörper war zusammengekrümmt. Sirpa schluchzte und wandte sich ab. Ich brachte sie in die Küche, riss ein Blatt von der Küchenrolle ab und gab es ihr als Taschentuch.
    Erst danach kam ich auf den Gedanken, Wang zu fragen, ob ich überhaupt etwas anfassen durfte.
    «Wegen der Fingerabdrucke? Da wo es drauf ankommt, haben wir schon alles untersucht. Ein Glas Wasser würde Sirpa sicher gut tun.»
    Ein paar Minuten später fragte Wang, ob Sirpa fähig sei, ein paar Fragen zu beantworten. Danach dürften wir gehen.
    «Um welche

Weitere Kostenlose Bücher