Lehtolainen, Leena
würde mir niemand abnehmen. Ach ja, nächste Woche stand auch die erste Vorsorgeuntersuchung an, fiel mir bei der Gelegenheit ein.
Wie üblich war ich nach dem Training in bester Laune. Erst zu Hause fiel mir wieder die Protestversammlung gegen die Umgehungsstraße ein, von der Antti gesprochen hatte. Maria und Antti, die eingefleischten Weltverbesserer, im unermüdlichen Kampf gegen jede Windmühle. Vielleicht würde ich in einem Jahr, das Baby im Tragesack, für Kindertagesstätten demonstrieren, wer weiß, aber heut Abend musste Antti ohne mich protestieren.
Für meinen abendlichen Ausflug kleidete ich mich betont unweiblich. Schwarze Jeans, dazu ein weites Flanellhemd und eine schwarze Männerweste vom Flohmarkt. Die Haare mochten ruhig frei über die Schultern fallen, aber beim Make-up begnügte ich mich mit Wimperntusche und Puder, um meine Blässe zu kaschieren. Ich hatte gehofft, im Spiegel eine harte Frau zu erblicken, doch was ich sah, war eine nervöse Gestalt, die wieder einmal jünger wirkte, als sie war. Es wunderte mich immer wieder, warum Frauen es für erstrebenswert hielten, jünger auszusehen. In meinem Beruf beeinträchtigte mädchen-haftes Aussehen nur die Glaubwürdigkeit.
Ich war nicht sonderlich begeistert von der Aussicht, mit Ström und Puupponen ein Sexlokal zu besuchen. Puupponen, ein rothaariger, sommersprossiger Junge aus Savo, war zwar nett, aber er verstand sich mit Ström noch schlechter als ich, also überhaupt nicht. Dass er sich freiwillig zu einem gemeinsamen Einsatz meldete, konnte nur an der unwiderstehlichen Anzie-hungskraft des »Fanny Hill« liegen.
Pertsa las mich an der Vähän-Henttaantie auf, Puupponen saß bereits auf dem Rücksitz. Ich klärte die beiden über den Zweck unseres Einsatzes auf: Wir mussten Milla Marttila fragen, wo sie sich in der vorgestrigen Nacht aufgehalten hatte, und gegebe-nenfalls ihr Alibi überprüfen. Als Erstes brauchten wir die Genehmigung des Besitzers, die Angestellten während der Arbeitszeit zu vernehmen. Ich zweifelte nicht daran, dass wir sie bekommen würden, denn Eigentümer von Sexlokalen haben im Allgemeinen ein Interesse daran, sich gut mit der Polizei zu stehen.
»Fang bloß nicht an, den Kunden eine Emanzenpredigt zu halten«, warnte Pertsa, als ich mit meinen Erklärungen fertig war.
»Ach, ich hab ja die Häkelnadeln vergessen, wie dumm von mir!«, gab ich säuerlich zurück. Pertsa schnaubte und parkte auf dem Bürgersteig vor dem Lokal, wobei er brummelte, einen Parkplatz würde er gar nicht erst suchen, wir wären sowieso schnell fertig. Der Türsteher starrte uns verwundert an, besonders mich, ließ uns aber eintreten, nachdem Pertsa erklärt hatte, wir seien von der Polizei und wollten den Geschäftsführer sprechen. Der Portier sagte, der Chef habe sein Büro im ersten Stock, aber wir sollten an der Bar warten.
In meiner Heimatstadt Arpikylä hatte ich einmal ein Striptease-Lokal besucht, ebenfalls in dienstlicher Mission. Das Treiben dort war so dilettantisch gewesen, dass es fast schon komisch gewirkt hatte. Als ich mich jetzt umsah, war ich verblüfft. Trotz der frühen Stunde hatte sich bereits eine stattliche Zahl von Herrenrunden eingefunden, die hier vermutlich den Abschluss ihrer Geschäftsverhandlungen feierte. Die Männer trugen durchweg korrekte Anzüge, die Kellnerinnen bedienten oben ohne. Außer mir waren nur zwei vollständig bekleidete Frauen in dem Lokal, die eine war offenbar die Oberkellnerin, die andere, die aussah, als hätte sie sich verirrt, schien das Anhäng-sel einer Gruppe russisch sprechender Männer zu sein. Ich versuchte, unter den barbusigen Mädchen in Netzstrümpfen Milla zu entdecken, doch sie war nicht da. Vielleicht strippte sie gerade.
Der Türsteher kam zurück und forderte uns mit einer Handbe-wegung auf, ihm zu folgen. Die Wände des Treppenaufgangs waren mit rotem Samt bezogen und mit Spiegeln behängt, die unser Bild endlos vervielfältigten. Der Gang im Obergeschoss war ebenso dekoriert, doch der Samtbehang wurde hier von unzähligen Türen durchbrochen. Vermutlich lagen dahinter die Logen für private Stripshows. Hinter einigen Türen war schwülstige Musik zu hören.
Als ich Rami Salovaara, dem Besitzer des Lokals, gegenüberstand, hätte ich beinahe laut gelacht. Endlich mal ein Typ, der alle meine Vorurteile bestätigte. Er war klein, übergewichtig und rot im Gesicht. Er hatte eine kreisrunde Glatze, was auch die langen Seitenhaare, die er quer darüber gekämmt
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