Lehtolainen, Leena
ihrem Bett und blätterte zerstreut in einer Frauenzeitschrift. Sie wirkte nicht mehr ganz so zerbrechlich, auch der Kopfverband war dünner als bisher. Bei meinem Anblick versuchte sie sogar zu lächeln.
»Hauptmeister Kallio – oder Maria. Guten Tag.«
»Guten Tag, Aira. Wie geht es dir?«
»Schon viel besser, obwohl es schmerzt, an Elina zu denken.
Aber der Kopf tut kaum noch weh.«
»Erinnerst du dich wieder an alles?«
In ihren Augen lag plötzlich eine Furcht, die sie rasch verdrängte.
»Eigentlich spielt das auch gar keine Rolle. Hauptsache, du erinnerst dich an frühere Ereignisse. Elina ist wegen ihrer Vergangenheit gestorben, nicht wahr?«
»Wie viel weißt du?«, fragte Aira zurück.
»Ziemlich viel. Aber einiges verstehe ich nicht ganz. Warum hast du zum Beispiel die ganze Zeit versucht, den Verdacht auf Joona Kirstilä zu lenken? Was hast du gegen ihn?«
Sie gab keine Antwort, schüttelte nur den Kopf, als wüsste sie es selbst nicht. Vielleicht gab es gar keinen richtigen Grund, vielleicht hatte sie geglaubt, sie könne Joona gefahrlos bezichti-gen, weil er unschuldig war.
»Warum hat Elinas Mörderin versucht, auch dich zu töten?
Hast du gedroht, der Polizei zu sagen, was du weißt? Du hast doch von Anfang an gewusst, worum es ging, nicht wahr?«
»Ich hätte nichts verraten. Aber sie hat mir nicht geglaubt. Sie
… sie ist ziemlich labil. Ich glaube nicht, dass sie mich töten wollte, sie hat nur aus einem plötzlichen Impuls heraus zugeschlagen.«
»Du erinnerst dich also, was passiert ist?«, fragte ich erneut.
Aira sah mich nicht an, doch sie nickte.
Ich schlug vor, ihr zu erzählen, was ich wusste, sie brauchte dann nur noch die Lücken in meiner Geschichte zu füllen. Ich wollte es ihr möglichst leicht machen, denn sie tat mir Leid. Sie hatte immer durch und für andere Menschen gelebt und hätte deshalb beinahe sterben müssen.
»Muss ich gegen sie aussagen?«, fragte Aira.
Ich erwiderte, ich hoffte auf ein volles Geständnis der Täterin.
»Sag ihr, dass ich ihr verzeihe. Ich bin mitschuldig an dem, was passiert ist. Ich war diejenige, die damals, vor vielen Jahren, beschlossen hat, wie wir vorgehen. Und wenn ich an die fatalen Folgen denke, muss ich zugeben, dass ich mich falsch entschieden habe.«
Dann erzählten wir uns gegenseitig, warum Elina gestorben war. Die Fakten hatte ich erraten, doch Aira wusste mehr über die Gefühle, die dahinter standen.
Als wir schließlich zum Ende kamen, war Airas Gesicht aschgrau, doch in ihre Augen war die Ruhe zurückgekehrt, die ich bei unserer ersten Begegnung in der Küche von Rosberga darin gesehen hatte.
»Du hast es viel zu leicht«, lächelte sie. »Heute Abend sind sie nämlich alle in Rosberga, um Elinas Beerdigung vorzubereiten: Johanna, Tarja, Niina, Milla und, soweit ich weiß, auch Joona.
Fahr nach Rosberga. Dort findest du die restlichen Antworten.«
Achtzehn
»Soso, alle deine Verdächtigen hocken also in Rosberga«, schnaubte Pertsa und lenkte den Dienstwagen von der Turuntie auf die Nuuksiontie. »Das klingt mir zu sehr nach einem alten Krimi.«
»Stimmt. Ich könnte alle Verdächtigen der Reihe nach durchgehen, angefangen mit dem, der am wenigsten mit der Sache zu tun hat. Wer zum Schluss übrig bleibt, ist Elinas Mörder.«
»Und das Arschloch Kirstilä ist auch da? Ist denn das Haus nicht mehr tabu für Männer?«
»In letzter Zeit sind da so viele Polizisten rumgerannt, da ist das Konzept irgendwie sinnlos geworden.« Eigentlich war ich gar nicht begeistert davon, in Rosberga eine öffentliche Enthül-lungsaktion zu starten, aber ich wollte endlich Klarheit haben.
Vielleicht war es auch für die anderen hilfreich, mit Elinas Tod abschließen zu können.
Das Tor war wieder verschlossen. Offenbar funktionierte die Fernbedienung nicht, denn Tarja Kivimäki kam heraus, um uns einzulassen. »Drei Polizisten? Aira ist doch hoffentlich nichts
…?«, fragte sie, noch bevor ich die Autotür ganz geöffnet hatte.
Außer Elinas Wagen standen der rote VW von Tarja Kivimäki und der Volvo von Niina Kuusinens Vater auf dem Hof. Trotz ihrer Abneigung gegen winterliche Autofahrten hatte sich Niina also durch den Schneematsch nach Rosberga bemüht.
»Aira geht es gut«, sagte ich beruhigend. »Wir möchten mit euch sprechen.«
In der Küche war es warm und gemütlich. Niina, Milla und Joona saßen am Tisch. Johanna goss eine neue Kanne Tee auf, als sie uns sah, obwohl ich sagte, wir würden nicht lange
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