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Lehtolainen, Leena

Titel: Lehtolainen, Leena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Weiss wie die Unschuld
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setzen Sie sich unverzüglich mit einem Arzt in Verbindung.« Aha. Und wenn man das nicht tat?
    Starb dann das Kind?
    Die Minute war bestimmt schon vergangen. Der Rückweg zur Toilette war viel zu kurz, meine Hände weigerten sich, die Tür aufzumachen und das Licht anzuknipsen. Bite the bullet, baby.
    Mach die Augen auf und schau hin.
    Eine blaue Linie wie auf der finnischen Fahne leuchtete mir entgegen. Ich war schon auf dem Weg in die Küche, um mir einen doppelten Whisky einzugießen, als mir aufging, dass es damit fürs Erste vorbei war.

    Sechs
    Als Antti zurückkam, lag ich halb schlummernd im dunklen Wohnzimmer auf dem Sofa, Einstein auf dem Schoß. Er knipste die Lampe an, das Licht drang durch meine Augenlider und riss mich aus meinen Gedanken.
    »Hier steckst du also. Schweren Tag gehabt?«
    »Nicht besonders. Nur Ström geht mir auf die Nerven. Gehst du duschen?«
    »Ich hab die Sauna angemacht. Möchtest du auch ein Bier?«
    »Nein, danke.«
    Antti, schon auf dem Weg in die Küche, sah mich mit gespiel-tem Erstaunen an. Beim Skilaufen waren seine dunklen Haare feucht und lockig geworden, jetzt fiel ihm die ganze Pracht in die Stirn.
    »Wie, kein Bier? Bist du krank? Oder musst du noch fahren?«
    Ich schüttelte den Kopf und folgte ihm in die Sauna. Antti roch nach nasser Wolle und Skiwachs. Ich überlegte, wie ich es ihm sagen sollte, wie er reagieren würde. Als wir auf der Pritsche saßen und das Wasser auf den heißen Steinen zischte, dachte ich an Mikko, die Katze meines Onkels Pena, die mir im vorletzten Sommer in der Sauna Gesellschaft geleistet und sich selbst bei hundert Grad noch wohl gefühlt hatte. Einstein dagegen setzte keine Pfote in die heiße Sauna.
    Wir saßen schweigend im Dämmerlicht. Ich betrachtete meinen Bauchnabel, die sanfte Rundung bis zu den Schamhaaren.
    Da drin war etwas, eine winzige Anhäufung von Zellen, noch kein Mensch. Ich sah Anttis riesige Hakennase an, befühlte meine Stupsnase und überlegte, was für eine Mischung unser Nachkömmling im Gesicht tragen würde.

    Antti goss eine reichlich bemessene Kelle Wasser auf. Der heiße Dampf zwang mich, die Augen zuzukneifen und mich zu krümmen. Meine Brüste lagen schwer auf den Knien. Als ich mich wieder aufzurichten wagte und Anttis Gesicht sah, gab ich mir einen Ruck. Jetzt würde ich es ihm sagen, geradeheraus, wie es meine Art war.
    »Antti, hör mal. Ich bin schwanger.«
    »Was?« Er sah noch verblüffter aus, als vorhin bei der Sache mit dem Bier. Keine Spur mehr von Ulk.
    »Na ja, weil meine Tage nicht kommen wollten, hab ich den Test gemacht.«
    »Aber die Spirale …«
    »Die kann auch mal versagen.«
    »Du weißt ja, wie ich darüber denke«, sagte Antti und nahm mich in die Arme. Seine Haut roch nach Winterluft und Schweiß, sein Dreitagebart kratzte. Er wünschte sich schon seit langem ein Kind, hatte aber versprochen, mir Zeit zu lassen, bis auch ich es wirklich wollte. Schließlich war ich diejenige, die das Kind in mir tragen und in die Welt hinauspressen musste.
    An allem anderen wollte sich Antti so viel wie möglich beteili-gen.
    »Und was jetzt?«, murmelte er in meine Haare.
    »Wegmachen lassen.«
    Er ließ mich los und sah mich fassungslos an.
    »Das Kind?«
    »Die Spirale. Sonst gibt’s Komplikationen.«
    Anttis Blick wurde weicher, doch eine Spur Furcht blieb zurück. Für einen kurzen Moment fühlte ich mich wie Johanna, als sie ihrem Mann gesagt hatte, sie hätte ihr Kind abgetrieben, um ihr Leben zu retten. Einige Sekunden lang trieb ich ganz allein über einem bodenlosen Abgrund, so offensichtlich war es, dass Antti sich freute und dieses Kind wollte. Was ich selbst wollte, wusste ich nicht, mich hatte niemand gefragt. Das Kind hatte sich in mir eingenistet, als wäre es aus einer verschluckten Preiselbeere entstanden, ganz ungeplant. Jahrelang hatte mich das Leben von einer Stadt in die andere getrieben, von einem Job zum anderen. Jetzt würde das Kind wieder alles durcheinander werfen, wie eine Hand, die ein Kaleidoskop dreht.
    »Ich bring es nicht fertig, abzutreiben, wenn das Kind gesund ist«, sagte ich und schmiegte mich wieder an Anttis fast haarlose Brust. »Aber ich brauch Zeit, bevor ich mich drauf freuen kann, das ist ein ziemlicher Schock für mich.«
    »Klar. Wann kommt es denn?«
    »Irgendwann im August. Der Göttin sei Dank, dass man monatelang Zeit hat, sich darauf einzustellen.«
    Wir redeten bis spät in die Nacht über die neue Situation, vor der wir standen. Antti bemühte

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