Lehtolainen, Leena
Gleichstel-lung kennen gelernt und uns gewundert, dass wir beide den gleichen Nachnamen hatten. Dann haben wir gemerkt, dass wir uns gut verstehen. Als Eva und Kirsti ein Kind wollten, war es irgendwie selbstverständlich, dass sie mich baten, der Vater zu sein.«
Antti hatte mir zwar einiges über die Familie Jensen erzählt, aber ich wollte es genau wissen.
»Dann ist Juri also das Kind von dir und Eva?«, fragte ich Lauri. Ich glaubte, im Gesicht des sechsjährigen Jungen die großen braunen Augen seines Vaters und Evas breiten, stets zu einem Lächeln bereiten Mund wiederzufinden.
»Im Prinzip sind alle gemeinsame Kinder. Alle haben einen Vati, einen Papa, eine Mutti und eine Mama«, lachte Kirsti.
»Aber biologisch sind Kanerva und Kerkko von mir ausgetragen, Jukka ist Kanervas Vater und Lauri Kerkkos.«
»Und das nächste ist von mir und Jukka«, erklärte Eva und lächelte ihren runden Bauch an. Ich betrachtete meinen eigenen, der noch in die engste Hose passte, und überlegte, wie es im Sommer sein mochte, wenn er so groß war wie der von Eva. Der Suppenlöffel fiel klappernd auf den Teller: Mir wurde klar, dass ich mir gerade allen Ernstes vorgestellt hatte, wie mein Bauch wuchs – fing ich etwa an, die Schwangerschaft zu akzeptieren?
»Damit haben wir dann auch alle Genkombinationen durch-probiert«, lachte Kirsti und räumte die Vorspeisenteller ab. Juri und Kanerva halfen ihr. »Natürlich sind die biologischen Eltern offiziell als Erziehungsberechtigte eingetragen, aber wir kümmern uns gemeinsam um alle. Es ist so praktisch, dass wir alle denselben Familiennamen haben. Jukka und ich mussten uns allerdings mit der Provinzialverwaltung herumschlagen, bevor unser Antrag auf Namensänderung bewilligt wurde. Es hieß, wir wären ein merkwürdiger Präzedenzfall.«
»Ein tolles Arrangement, vier Elternteile«, seufzte ich. »Da gibt es sicher keine Probleme mit der Kinderbetreuung.«
»Wir haben alle unregelmäßige Arbeitszeiten. Architekt, Restaurantbesitzer, Wissenschaftlerin und Psychiaterin«, erklärte Eva. »Seit ein paar Jahren habe ich allerdings feste Sprechstunden. Maria, ich weiß, dass du an die Schweigepflicht gebunden bist, wie ich auch, aber ermittelst du oder ermittelt deine Abteilung in dem Mord an Elina Rosberg? Das war ein furchtbarer Schock! Habt ihr schon etwas herausgefunden? Es kann doch kein Selbstmord gewesen sein!«
»Ja, ich untersuche den Fall«, gab ich zu, obwohl Antti mir vom anderen Tischende mit den Augen signalisierte, nicht über meine Arbeit zu sprechen. Ich legte mir eine Scheibe Rinderfilet auf den Teller, bevor ich hinzufügte, wir wüssten noch nichts Genaues.
»Hast du Elina gut gekannt?«, fragte ich Eva. Ich konnte einfach nicht anders.
»Während der Ausbildung war sie meine Therapeutin, später eine gute Freundin. Vor drei Wochen hat sie uns noch hier besucht.«
»Hat sie da irgendetwas gesagt, was …« Anttis Blick war schärfer als ein Tritt gegen das Schienbein, ich zog meine Frage zurück. »Entschuldigt bitte, wir wollen jetzt nicht über Berufliches reden. Eva, können wir uns in den nächsten Tagen einmal zusammensetzen? Du warst Elinas Kollegin und Freundin, du kannst mir vielleicht weiterhelfen.«
»Wann immer es dir passt, ich bin ja schon im Mutterschaftsurlaub.«
Wir vereinbarten, dass ich nach Neujahr anrufen würde, wenn ich einen besseren Überblick über meine Termine hatte. Weh-mütig und skeptisch betrachtete ich das harmonische Familiengetöse der Jensens. Ich konnte mir nur schwer vorstellen, den Kinderlärm zu ertragen, den unglaublichen Schmutz, den ein Einjähriges, das gerade lernt, selbständig zu essen, um sein Stühlchen herum verbreitet, oder die pausenlosen Fragen einer Vierjährigen. Andererseits gab es da diese Augenblicke, das mit Erdbeersorbet verschmierte Bäckchen des einjährigen Kerkko an meinem Gesicht, die unbändige Freude von Kanerva und Juri, als die ersten Feuerwerkskörper am frostschwarzen Himmel aufflammten, Kerkkos schläfriges Schnaufen auf dem Sofa, kleine Momente, in denen ich die rosarote Seite des Lebens mit einem Kind sah, die es ja auch gab. Aber immer noch ging mir das alles zu schnell. Und dennoch merkte ich, wie ich mir Sorgen machte, ob die Spirale meinem Kind schadete, und hoffte, gleich nach Neujahr einen Arzttermin zu bekommen.
Nach den Feiertagen erwartete mich das vertraute Chaos. Daran war ich gewöhnt, an Bitten um Rückruf und Aktenstapel, ich hatte mich auf die
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