Lehtolainen, Leena
wie ein Teenager auszusehen, den man wegen eines Kioskeinbruchs aufs Revier geschleppt hat.
Ich fragte nach den Personalien und stellte im selben Moment fest, dass auch er ein Strafregister hatte, allerdings verjährt und ziemlich banal; er war Mitte der achtziger Jahre ein paar Mal in der Ausnüchterungszelle gelandet und 1979, mit siebzehn, verhaftet worden, weil er ein Schaufenster eingeschlagen hatte.
»Vor ein paar Tagen haben wir uns ja bereits inoffiziell unterhalten. Sie haben mir erzählt, dass Sie Elina Rosberg vor Weihnachten zum letzten Mal gesehen haben. Würden Sie noch einmal aufs Band sprechen, was Sie an dem Abend getan haben, an dem Frau Rosberg verschwunden ist?«
Ohne Zögern erklärte Kirstilä, er habe am Abend des zweiten Weihnachtstages in einem Lokal in Hämeenlinna mit alten Freunden gezecht.
»Können Sie uns die Namen dieser Freunde nennen?«
»Mal sehen, wer war denn alles dabei … Esa Kinnunen auf jeden Fall und Tinde … also Timo Hatakka. Und Bulla, aber wie heißt der offiziell? Lassen Sie mich nachdenken …«
Er sprach mit erstaunlicher Sicherheit. Es war doch wohl nicht möglich, dass er die Daten verwechselte? Aber nein, jeder wusste, wann Weihnachten war.
»Nennen Sie uns auch die Adressen Ihrer Zechbrüder, soweit Sie sie wissen. Und die Lokale, die Sie besucht haben. Man hat uns nämlich gesagt, Sie wären an dem fraglichen Abend mit Elina Rosberg in Nuuksio spazieren gegangen.«
Kirstilä warf erst mir, dann Pertsa einen raschen Blick zu. Man konnte es förmlich in seinem Kopf rattern hören, während er überlegte, wie er reagieren sollte. Schließlich entschied er sich für die Gegenfrage.
»Wer hat das behauptet? Aira?«
»Das spielt eigentlich keine Rolle. Was haben Sie dazu zu sagen?«
Kirstiläs Hände zitterten, seine Augen streiften über die Wän-de, als suchten sie nach einem Loch, durch das er entkommen konnte. In Pertsas Blick flackerte Interesse auf, er witterte eine Lüge und vielleicht den Mörder. Es überraschte mich nicht, dass Kirstilä erneut bestritt, sich am Abend des zweiten Weihnachtstages in Rosberga aufgehalten zu haben.
»In Ordnung. Wir werden das bei Ihren Freunden in Hämeenlinna überprüfen. Erzählen Sie mir von Ihrer Beziehung zu Elina Rosberg. Wie lange sind Sie miteinander gegangen?«
Kirstilä verzog das Gesicht.
»Miteinander gegangen … Das klingt so pennälerhaft. Im Gymnasium bin ich mit Mädchen gegangen. Mit Elina Rosberg bin ich nicht ›gegangen‹. Wir waren Liebende.«
Seine Byronaugen sahen mich halb wütend, halb flehend an: Kirstilä hatte offensichtlich beschlossen, an meine weibliche Empathie zu appellieren. Natürlich tat er mir Leid; es ist tragisch, seine Geliebte zu verlieren. Nur war ich keineswegs von seiner Unschuld überzeugt.
»Natürlich wollen Sie jetzt hören, wie lange wir uns gekannt haben und all das. Polizei und Boulevardpresse interessieren sich für die gleichen Geschichten. Elina und ich haben unsere Beziehung nicht an die große Glocke gehängt, trotzdem hat mich heute eine Redakteurin von einem dieser Regenbogenblätter angerufen und mich zu nötigen versucht, zu Elinas Andenken ein Gedicht zu schreiben.« Er verzog verächtlich den Mund.
»Selbst mich kann man offenbar noch mit Geschmacklosigkeit k. o. schlagen.«
Pertsa hatte allem Anschein nach genug von Kirstiläs auswei-chendem Geschwätz.
»Würden Sie jetzt bitte über Ihre Beziehung zu Frau Rosberg sprechen!«, blaffte er. Ich war wütend. Pertsas Ausruf klang genau so, wie er gemeint war: Da die weibliche Ermittlerin den Schwätzer nicht in seine Schranken verwies, musste er als Mann ein Machtwort sprechen.
»Okay.« Kirstilä fingerte erneut nach den Zigaretten, hielt frustriert inne und fischte schließlich ein Streichholz aus der Tasche, auf dem er beim Sprechen herumkaute. »Wir haben uns vor zwei Jahren in Kouvola kennen gelernt, bei einem Seminar über Maskulinität. Wir waren natürlich in allen Punkten entge-gengesetzter Meinung. Auf der Rückfahrt haben wir im Speisewagen weiter diskutiert und dann in Helsinki im Bahn-hofsrestaurant. Elina hatte keine Lust, ein Taxi nach Nuuksio zu nehmen, sondern hat bei mir übernachtet, und so fing es an …«
Kirstilä biss das Streichholz durch und holte ein neues aus der Tasche. »Irgendwie wurde etwas Festes daraus, obwohl wir beide eigentlich nicht auf eine feste Beziehung aus waren. Elina war restlos mit ihrem Rosberga beschäftigt und hatte außerdem noch einige
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