Lehtolainen, Leena
sich nach Kräften, seine Begeisterung zu verbergen, doch ich ertappte ihn ein paarmal dabei, wie er nachdenklich meinen Bauch anstarrte. Als ich schließlich so herzhaft gähnte, dass man mir eine ganze Apfelsine auf einmal in den Mund stopfen konnte, fing er an, von gesteigertem Schlafbedürfnis zu schwafeln.
»Zum Donnerwetter, fang bloß nicht an, mich in Watte zu packen«, rief ich entsetzt. Ich hasste das süßliche Theater um die Mutterschaft. Wenn ich meinen Schwestern glauben durfte, sah die Wirklichkeit ganz anders aus. Eeva erwartete im April bereits ihr zweites Kind, ein Geschwisterchen für Saku; Helenas Tochter Janina war ein Jahr alt.
»In welchem Stadium der Schwangerschaft überkommt dich wohl der unbezwingliche Drang, Katzenstreu zu essen«, frotzelte Antti, und ich flüchtete mich ins Schlafzimmer. Ich war dankbar für das gesteigerte Schlafbedürfnis, für die bleischwere Müdigkeit, die mich zwischen Matratze und Decke festhielt und mir einen unbeschreiblich tiefen Schlaf bescherte.
Am nächsten Tag war ich immer noch durcheinander und letzten Endes froh über die Einladung zu den Jensens, denn dort würden wir eine Weile nicht über meine Schwangerschaft nachdenken. Wir fuhren mit dem Auto, da ich sowieso höchstens ein halbes Glas Wein trinken würde. Die Jensens wohnten in Mankkaa in einem verhältnismäßig neuen Haus, das von außen wie ein ganz gewöhnliches Doppelhaus mit zwei separa-ten Wohnungen wirkte. An dem einen Briefkasten stand 40 A, Jukka und Lauri Jensen, am anderen 40 B, Eva und Kirsti Jensen. Ich fragte mich, in welchen Kasten die Post für die drei Kinder der Jensens gesteckt wurde, aber vielleicht war das egal.
Wir betraten das Haus durch den Eingang B, denn es war Kirsti Jensen, Anttis Kollegin, die uns eingeladen hatte. Antti war schon einmal hier gewesen, während ich die letzte Einladung wegen eines dringenden Einsatzes absagen musste –
soweit ich mich erinnerte, hatte ich an dem Abend einen Serientäter verhaftet, der mehrere Vergewaltigungen auf dem Konto hatte. Antti teilte an der Universität ein Arbeitszimmer mit Kirsti und hatte daher zwangsweise Einblick in das Leben der unkonventionellen Großfamilie gewonnen.
In der Diele begrüßten uns neben vier Erwachsenen und drei Kindern zwei Golden Retriever, die ihr Bestes taten, mich zu Fall zu bringen. Die hochschwangere Eva scheuchte die Hunde in den rückwärtigen Teil des Hauses. Jukka kam mit vorgebun-dener Schürze und einem Tablett voller Gläser an, und Kirsti tröstete das kleinste Kind, das von den größeren und den Hunden umgerannt worden war. Es herrschte ein gewaltiger Lärm, der aber nicht aggressiv, sondern fast gemütlich klang.
Ich nippte nur an meinem Begrüßungsdrink und drückte Antti das Glas in die Hand. Lauri Jensen, der von Beruf Architekt war, führte mich durch das Haus, während Eva und Jukka letzte Hand an das Abendessen legten. Das mittlere Kind, die vierjährige Kanerva, ging mit uns.
Obwohl das Haus der Jensens zwei Eingänge hatte, handelte es sich praktisch um einen Gemeinschaftshaushalt. Beide Paare hatten am Ende ihrer Hälfte eigene Schlaf- und Arbeitszimmer sowie separate Küchen. In der Mitte befanden sich die gemeinsamen Räume, Esszimmer, Wohnzimmer und Bibliothek. Die Kinderzimmer waren um das Wohnzimmer gruppiert. Das Kellergeschoss enthielt neben den Vorratsräumen auch eine große Saunaabteilung mit zwei Badewannen und Waschmaschi-ne. Das Haus war hell und geräumig, die Inneneinrichtung allem Anschein nach exakt geplant und doch lebendig.
»Hast du das Haus selbst entworfen, oder habt ihr es umbauen lassen?«, fragte ich Lauri.
»Wir haben es fertig gekauft, es ist ein Standard-Doppelhaus aus den siebziger Jahren. Aber der Grundriss war in Ordnung, genau das, was wir suchten. Als Juri, unser ältestes Kind, geboren wurde, haben wir in nebeneinander liegenden Wohnungen in einem Hochhaus gelebt, aber das war zu umständlich.
Wir mussten ständig durchs Treppenhaus.«
»Vati, ich will Maria mein Fahrrad zeigen. Und Juris auch«, verlangte Kanerva, also besichtigten wir auch den Geräteschup-pen. Auf dem Hof hatten die Kinder eine kleine Schneeburg gebaut.
»Ist Eva die einzige geborene Jensen?«, fragte ich, als wir am Tisch saßen und die Vorspeise, Herbsttrompetensuppe, aßen.
»Ich bin auch ein geborener Jensen«, lachte Lauri, »aber unseres Wissens sind wir nicht verwandt. Eva und ich haben uns Anfang der achtziger Jahre im Verein für sexuelle
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