Lehtolainen, Leena
persönliche Euthanasie. Aber Elina war nicht krank, abgesehen von dieser fürchterlichen Erkältung.«
»Stimmt. Sie war also in letzter Zeit nicht etwa auffällig deprimiert?«
»Irgendetwas hat sie bedrückt, ein Problem, für das sie keine Lösung zu finden schien. Aber es muss sich um etwas Berufliches gehandelt haben, denn sie hat mit mir nicht darüber gesprochen.«
Ich wollte gerade noch einmal auf Kirstiläs Alibi zurückkommen, als Pertsas Pieper anschlug. Wir unterbrachen die offizielle Vernehmung, während Pertsa in sein Büro ging, um sich nach dem Grund für den Alarm zu erkundigen.
»Ein richtiges Arschloch«, erklärte Kirstilä im Plauderton.
Leider konnte ich dazu nichts sagen, ich grinste nur verhalten.
»Ich bin als junger Mann einmal verhaftet worden, ich hatte im Rausch ein bisschen randaliert. Der eine Streifenpolizist war genauso ein pickelnarbiger Kraftprotz wie der da. Ich habe mich gar nicht groß gewehrt, aber irgendwie hat er es geschafft, mir auf dem Weg zur grünen Minna den Arm so auf den Rücken zu drehen, dass er mir in einer bestimmten Haltung immer noch wehtut. Mit anderen Worten, ich mag Polizisten nicht besonders.«
»Das ist aber noch lange kein Grund zu lügen.« Mir war nicht ganz klar, weshalb Kirstilä vertraulich wurde, sobald wir unter vier Augen waren. Weil er glaubte, als Frau wäre ich für seinen Charme empfänglich? Oder lag es daran, dass ich Elina persönlich gekannt hatte und wir uns zum ersten Mal in seiner Wohnung begegnet waren, wie zwei Bekannte, die sich um eine gemeinsame Freundin Sorgen machen? Ich überlegte mir, dass man das Vertraulichkeitsspiel auch andersherum spielen konnte, wandte mich ihm mitfühlend zu und stellte das Tonband ab.
»Wie meinst du das?«
Meine Taktik hatte gewirkt, Kirstilä ging zum Du über.
»Du warst am Abend des zweiten Weihnachtstages doch in Rosberga, stimmt’s?« Fehlanzeige, Kirstilä verneinte wieder. Er war gerade dabei, mir die Telefonnummer seiner Eltern zu geben, die mir bestätigen sollten, wo er sich am zweiten Weihnachtstag aufgehalten hatte, als Pertsa hereinkam.
»Sie können gehen, Kirstilä. Wir müssen jetzt nach Mankkaa.
Aber keine Sorge, wir werden Ihr Alibi überprüfen.«
»Was ist in Mankkaa los?«, fragte ich, als wir Kirstilä zur Bushaltestelle gebracht hatten und in die Polizeigarage eilten.
»Noch ein Erfrorener. Aber bestimmt nicht so hübsch wie die Rosberg. Ein Penner, auf der Müllkippe. Hat nicht mehr alle Innereien im Leib.«
In meinem Magen schwappte es Unheil verkündend. Bei jedem anderen Kollegen hätte ich es abgelehnt mitzukommen, hätte notfalls einen Termin mit Tarja Kivimäki oder Niina Kuusinen vorgeschoben. Aber bei Pertsa konnte ich mir das nicht erlauben.
»Ich nehm meinen eigenen Wagen, vielleicht kann ich anschließend gleich nach Hause fahren.«
Der Anblick, der uns in Mankkaa erwartete, war so schrecklich, wie ich es befürchtet hatte. Der Mann mit dem vom Alkohol gezeichneten Gesicht war vor etwa zwei Tagen übel zugerichtet worden. Dann hatten sich Vögel über die Leiche hergemacht und die gefrorenen Eingeweide angefressen. Ich schaute keine Minute länger hin als nötig und war dankbar für die Kälte, die dem schlimmsten Gestank Einhalt gebot. Ein netter Anfang für meinen zweitägigen Neujahrsurlaub. Solange lagen auch die Ermittlungen im Fall Rosberg auf Eis. Ich schlitterte über die schmale Straße nach Hause. Das Haus war dunkel, Anttis Skier standen nicht auf der Veranda. Im Flur gab mir Einstein zur Begrüßung einen so heftigen Schubs, dass ich beinahe das Gleichgewicht verlor.
Ich holte den Schwangerschaftstest aus der Tasche, ging in die Toilette und setzte mich auf den heruntergeklappten Deckel.
Plötzlich graute mir vor dem Test. Wenn ich nun wirklich schwanger war? Ich sah den Toten von der Müllkippe vor mir und konnte die aufsteigende Übelkeit kaum zurückdrängen.
Wenigstens bräuchte ich eine Zeit lang keine Leichen anzuschauen. Sollte ich nicht doch lieber auf Antti warten? Aber ich musste sowieso gerade. Ich öffnete die Schachtel, las die Anleitung noch einmal durch und ging ans Werk. Den Teststrei-fen anfeuchten und ins Röhrchen damit. Wenn nach einer Minute im Testquadrat ein blauer Streifen erscheint, sind Sie schwanger.
Eine Minute … Statt wie eine Blöde auf das Röhrchen zu starren, ging ich ins Schlafzimmer und nahm den Ratgeber zur Hand, den ich beim Einsetzen der Spirale bekommen hatte. »Bei Verdacht auf Schwangerschaft
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