Lehtolainen, Leena
telefonier mal schön«, murmelte Pihko, als Jäämaa davonstiefelte. »Will jemand was essen? Ich kann uns was holen.«
»Bring auch gleich einen Mikrowellenherd und lange Unter-hosen mit«, meinte Pertsa. Es kam mir geradezu unwirklich vor, im Wald herumzustehen und darauf zu warten, dass etwas geschah. Warten war nie meine Stärke gewesen, ich handelte lieber, oft sogar, ohne vorher groß nachzudenken. Ich überlegte, was ich an Palos Stelle täte. Das war allerdings sinnlose Spekulation, schließlich kannte ich die Situation in der Hütte nicht, wusste nicht einmal, womit Halttunen bewaffnet war. Immerhin stand fest, dass er den Coup allein durchgezogen hatte, außer Palo und ihm war niemand in der Hütte.
Ich konnte mir nur zu gut vorstellen, welche Ängste Palo ausstand. Er war Polizist, er wusste, wie diese Fälle in aller Regel enden. Nur ein Laie konnte sich vorstellen, ein Scharfschütze der Polizei würde durch den Schornstein einsteigen und den Bösewicht zur Strecke bringen. Palo wusste, dass es zu einer massiven Operation kommen würde und was das bedeutete. Halttunen war zwar kein Meisterschütze, aber er hatte die Geisel.
Ein Bote des Provinzialhauptkommissars riss mich aus meinen Gedanken. Ich wurde zur Anhörung gebeten. Im Wagen des Hauptkommissars war es warm, und den angebotenen Kaffee nahm ich gern an.
»Diesmal hat sich Halttunen gemeldet, er hat wohl gemerkt, dass sich die Situation zuspitzt. Er verlangt einen Lautfernspre-cher, offenbar wagt er es nicht, Hauptmeister Palo mit uns sprechen zu lassen, solange er nicht mithören kann. Wir kümmern uns sofort darum.« Jäämaa trank einen Schluck Kaffee, ich wärmte meine klammen Finger am Becher und lauschte auf das Knurren meines Magens. »Nun zu Ihnen, Hauptmeister Kallio, Sie haben Halttunen also gemeinsam mit Hauptmeister Palo vernommen. Er wurde aufgrund der Ermittlungen verurteilt, die Sie beide durchgeführt haben.«
»So ist es. Die Fälle an sich waren klar, die Beweise eindeutig.«
»Er hat aber gedroht, Sie beide zu töten?«
»Ja. Eigentlich hätte ich erwartet, dass er mit mir den Anfang macht.«
»Warum hätte er mit Ihnen den Anfang machen sollen?«
»Verurteilt wurde er für Raubüberfälle und für tätliche Angriffe gegen Frauen, die er teilweise im Zusammenhang mit den Überfällen begangen hatte, gewissermaßen zum Vergnügen.
Und bei den Vernehmungen irritierte es ihn ganz offensichtlich, dass er von einer Frau befragt wurde.«
Wieder erinnerte ich mich an Halttunens hellblaue, runde Augen, in Farbe und Form fast babyhaft, aus denen mir jedoch kein Kind entgegenblickte, sondern ein Killer. Ich dachte an den mit der Säge niedergemetzelten Pentti Lindström und an die Panik in Palos Stimme, als die Elche durch den Wald brachen.
»Hauptmeister Palo hielt sich in den Vernehmungen meist im Hintergrund, weil Halttunen sich von mir besonders leicht zu unbedachten Äußerungen provozieren ließ. Er neigte dazu, mit seinen Taten zu prahlen, was uns die Arbeit erleichterte.«
»Können Sie sich vorstellen, was Halttunen mit der Entführung bezweckt? Seine Lage ist ja nicht besonders aussichtsreich.«
»Ich begreife nicht, was er vorhat. Ich hatte angenommen, dass er Palo und mich tatsächlich kaltblütig töten will, und ich glaube, er wäre dazu auch fähig gewesen. Vielleicht hielt er seine Chance, nach der Tat zu entkommen, für so minimal, dass er sich zu diesem verzweifelten Versuch entschieden hat.
Allerdings wissen wir ja nicht, ob irgendwo ein Komplize auf ihn wartet.«
»Oder er will sterben und wenigstens einen Polizisten mit in den Tod nehmen«, sagte Jäämaa kühl. Von Todessehnsucht hatte man auch im Zusammenhang mit dem Opfer in Vesala gesprochen. Es hieß, der Junge habe nicht den Mut gehabt, sich zu erschießen, und deshalb die Polizei in eine Situation manöv-riert, in der sie ihm die Aufgabe abnahm. Ich wusste nicht, ob das stimmte, wusste auch nicht, was ich von dem Kollegen halten sollte, der nicht auf die Beine, sondern ein Stück höher gezielt hatte. Wahrscheinlich hatte er um sein Leben gefürchtet, wie es jeder andere in seiner Situation auch getan hätte.
»Sie haben häufig mit Hauptmeister Palo zusammengearbeitet.
Können Sie einschätzen, wieweit er der Situation gewachsen ist?«
»Er war sehr nervös, seit er von der Drohung erfahren hat.
Jetzt sind seine schlimmsten Befürchtungen Wirklichkeit geworden. Hat man übrigens seine Angehörigen benachrich-tigt?«
»Soweit ich weiß,
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