Lehtolainen, Leena
die Jungs von der Antiterroreinheit aufmarschieren, dann werden wir normalen Polizisten sowieso nicht mehr gebraucht«, sagte ich mit einer Verbitterung, die mich selbst überraschte.
Die Debatte über die zunehmende Schießfreudigkeit der Polizei, die in den letzten Jahren aufgekommen war, hatte sich natürlich auf uns alle ausgewirkt. Ich war gerade frisch von der Polizeischule gekommen, als ein Kollege auf dem Marktplatz in Mikkeli einen Geiselnehmer abknallte. Kaum hatte sich die Aufregung über diesen Fall gelegt, folgten kurz hintereinander drei Fälle, bei denen die Täter – Larha, Huohvanainen und dieser unselige Junge aus Vesala – von Polizisten erschossen wurden.
Das war die Zeit, in der erstmals Frauen zum bewaffneten Wehrdienst zugelassen wurden, in der sich Schießkurse aller Art gar nicht mehr retten konnten vor begeisterten Möchtegernkrie-gern und in der am Himmel neue teure Kampfflugzeuge flogen.
Ich war nicht die Einzige, die sich fragte, ob zwischen diesen Entwicklungen eine Verbindung bestand. In meiner Generation hatten sich die jungen Männer lange Episteln aus den Fingern gesogen, um als Kriegsdienstverweigerer anerkannt zu werden, wir hatten an Friedensmärschen teilgenommen und beinahe an unsere eigenen Parolen geglaubt. Als ich dann auf die Polizeischule ging, meinten manche meiner Bekannten, ich wäre zur Gegenseite übergelaufen. Dass Mitte der neunziger Jahre eine derartige Begeisterung für Waffen und für die Armee aufkom-men würde, hatte ich genauso wenig erwartet wie sie.
Pertsa, wer sonst, hatte mich einmal gefragt, ob ich als Frau zur Armee gehen würde. Ich war ihm die Antwort schuldig geblieben, weil ich sie nicht so klar und präzise formulieren konnte, wie es in Pertsas Fall nötig gewesen wäre, aber ich glaubte nicht recht, dass es der Gleichberechtigung diente, jeden von Männern entwickelten Schwachsinn mitzumachen. Mit anderen Worten, mein Militarismus war nicht besonders ausgeprägt. Trotzdem stand ich mit Kugelweste und Helm frierend in Nuuksio und überlegte, ob man den entflohenen Sträfling, der meinen Kollegen gekidnappt hatte, erschießen durfte.
Der Provinzialhauptkommissar war von Taskinen bereits telefonisch ins Bild gesetzt worden, wollte aber an Ort und Stelle alles noch einmal durchgehen. Der Leitende Kriminaldi-rektor im Innenministerium habe ihm gegenüber die Ansicht vertreten, die Glaubwürdigkeit der Polizei und die öffentliche Sicherheit seien ernsthaft gefährdet, weshalb umfassende Maßnahmen ergriffen werden müssten, um Palo lebend herauszuholen. Was diese hochtrabenden Sätze bedeuteten, war mir klar: Bald würden die Antiterroreinheit, Hubschrauber und vielleicht sogar Mannschaftswagen der Armee auftauchen.
»Wie haben Sie den Kontakt zu Halttunen organisiert?«
»Er hat uns mit Palos Handy angerufen. Auf unsere Versuche, Kontakt aufzunehmen, hat er nicht reagiert, aber Sie können es natürlich erneut versuchen.«
Taskinen gab knappe, höfliche Antworten, seine Stimme klang jedoch verärgert. Fiel es ihm nun doch schwer, das Kommando abzugeben?
»Wir haben die Tochter des Besitzers ausfindig gemacht. Sie sagt, ihre Eltern verbringen den Winter in Spanien und sind dort schwer zu erreichen. Das Haus hat sowohl einen Kamin als auch einen betriebsbereiten Ölofen. Es gibt kein elektrisches Licht, aber wahrscheinlich Kerzen sowie einige Taschen- und Petro-leumlampen. Laut Aussage der Tochter ist auch ein reichlicher Vorrat an Konserven vorhanden.«
Aus dem Schornstein stieg kein Rauch auf, also hatte sich Halttunen offenbar für den Ölofen entschieden. Es würde früh dunkel werden, die Trupps des Provinzialhauptkommissars bauten bereits ihre Scheinwerfer auf. Aus einem Autofenster wehte Kaffeeduft, und ich stellte erstaunt fest, dass ich Hunger hatte.
Taskinen erläuterte dem Provinzialhauptkommissar Halttunens Vorgeschichte, worauf dieser sagte, er habe bereits mit dem Zentralgefängnis in Verbindung gestanden. Für Halttunens Drohungen, auszubrechen und Rache zu nehmen, gebe es mehrere Zeugen.
»Halttunen hat eine Therapie gemacht, da wäre es doch sinnvoll, seinen Therapeuten zu kontaktieren«, warf ich halblaut ein.
Provinzialhauptkommissar Jäämaa drehte sich zu mir um und fragte barsch:
»Und wer sind Sie?«
Taskinen kam mir mit der Antwort zuvor, worauf der Herr Provinzialhauptkommissar erklärte, er wolle in seinem Wagen mit mir sprechen. Zuerst würde er jedoch versuchen, mit Halttunen Verbindung aufzunehmen.
»Dann
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