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Lehtolainen, Leena

Titel: Lehtolainen, Leena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Weiss wie die Unschuld
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meine Karte.« Er kramte in der Tasche seines langen Mantels aus Antikleder. Der Mann hatte Stil, das ließ sich nicht leugnen. Zumindest auf weibliche Patientinnen machte seine lockere männliche Selbstsicherheit, gepaart mit Empathie, garantiert Eindruck.
    »Das ist nun wirklich unvernünftig«, schimpfte Hanninen, als die Hubschrauber erneut auf die Hütte zuflogen. »Markku braucht das Gefühl, die Situation unter Kontrolle zu haben. Mit den Helikoptern erreicht man nur, dass er die Beherrschung verliert.«
    »Was sollte man denn Ihrer Meinung nach tun?«
    »Möglichst viel mit ihm reden und warten, bis er von selbst einsieht, dass er nicht entkommen kann. Man muss ihn überreden, sich zu ergeben oder wenigstens die Geisel freizulassen. Ich bin nach wie vor bereit zu einem Austausch. Ich weiß, dass er mir nichts tut.«
    Wieder prasselte Schrot gegen die Rotoren. Einer der Funker, die die Hütte abhörten, rief Koskinen etwas zu, und ich stürzte ins Zelt. Ich war sicher, Halttunen hatte Palo erschossen.
    Doch so war es nicht. Der Funker meldete nur, Halttunen und Palo hätten offenbar beide völlig die Nerven verloren. Halttunen ballerte auf die abdrehenden Hubschrauber, dann wieder feuerte er blindlings hinter die Hütte, sodass die Männer auf dieser Seite in Deckung gehen mussten. Der Lärm war ohrenbetäubend.
    Offenbar hatten die Hubschrauberpiloten den Befehl, über dem Gebäude zu kreisen und Halttunen zu provozieren, damit er am nördlichen Fenster blieb und schoss. Gleichzeitig kletterte nämlich eine Gruppe Antiterrorkämpfer über die südliche Wand auf das Dach. Das Knattern der Hubschrauber übertönte die Klettergeräusche. Mir erschien das Ganze gewagt, geradezu tollkühn, aber ich war ja auch nur eine gewöhnliche Polizistin.
    Als ich mich umblickte, erblickte ich Koskivuori, der Befehle in sämtliche Telefone brüllte, ich sah, wie Dutzende Gewehre mit Zielfernrohr in Stellung gebracht und Gaspatronen in den Schornstein geworfen wurden, während einige Männer der Spezialeinheit vom Dach auf die Veranda sprangen. Der Hubschrauber sank aberwitzig tief, nun wurde auch von dort geschossen. Jemand rief: »Palo sagt, im Haus ist kein Sprengstoff!«
    Das Knallen der Schüsse wurde vom Hubschraubergetöse fast überdeckt. Instinktiv rannte ich auf die Hütte zu, doch irgendwer hielt mich am Ärmel fest. Plötzlich war alles still. Die Schüsse waren verhallt, der letzte Hubschrauber verschwand hinter dem Wald. Der Mann, der mich zurückgehalten hatte, lockerte seinen Griff. Noch bevor ich ihn ansah, erkannte ich Pertti Ströms Rasierwasser.
    Einer der Antiterrormänner rief nach einem Krankenwagen, doch da waren die Bahrenträger bereits unterwegs. Ich hatte keine Ahnung gehabt, dass so viele Fotografen und Kameraleute im Wald gehockt hatten. Sie näherten sich der Hütte wie eine Meute raublustiger Tiger. Endlich schepperte Koskivuoris Stimme aus einem Megaphon und setzte der Ungewissheit über den Ausgang des Unternehmens ein Ende.
    »Die Operation ist beendet. Markku Halttunen wurde bei dem Schusswechsel getötet. Leider hat er zuvor Hauptmeister Palo schwer verletzt.«

    Pertsa entfuhr ein Fluch, ich sagte kein Wort.
    »Warte hier, ich geh nachsehen, was ›schwer verletzt‹ bedeutet«, sagte Ström. Ich betrachtete die Kameras, die ihre Beute einkreisten, hörte das Einrasten der Sicherungen an den Waffen und das Stimmengewirr, als ginge mich das alles nichts an.
    Dann kam Pertsa im Laufschritt zurück, und seine Augen sagten mir, was »schwer verletzt« bedeutete, noch bevor seine knarren-de Stimme meine Ohren erreichte:
    »Palo ist tot.«
    Es spielte keine Rolle, dass ich Ström verabscheute, er war ein Kollege, der ganz genau dasselbe empfand wie ich. Wir verkrochen uns ineinander, Sekunden später legten auch Pihko und Taskinen ihre Arme um uns. Jeder weinte auf seine Art, still in sich hinein oder, wie ich, laut heulend. Ich schaute nicht hin, als die Bahren aus der Hütte getragen wurden.

    Für den Rest der Woche blieb ich zu Hause, nur an der Krisentherapie, die für uns organisiert wurde, nahm ich teil. Vielleicht wäre es leichter gewesen zu arbeiten, denn die Tage waren höllisch und die Nächte noch schlimmer. Ein Beruhigungsmittel nahm ich nur in der ersten Nacht, ich wollte die Gesundheit meines Kindes nicht gefährden.
    Als bestes Mittel gegen Depressionen erwies sich Sex. Antti hatte sich gewundert, als ich nach der Katastrophe in Nuuksio noch am selben Abend mit ihm schlafen

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