Lehtolainen, Leena
kommt er nachsehen, ob ich auch schön keusch im Bett liege.«
Ich hielt die Luft an. Das klang noch schlimmer, als ich erwartet hatte. Ein populärer Prediger, der seine Kinder sexuell missbraucht?
»Was tut er mit dir?«
»Gar nichts, er guckt nur. Aber das ist eklig genug. Elisa betatscht er dauernd und sagt dabei, zum Glück wäre sie noch ein kleines Mädchen und keine Frau. Jetzt muss ich aber nach Hause, sonst nehmen sie mich wieder ins Kreuzverhör!«
Wir machten kehrt. Anna versicherte noch einmal, dass alle Kinder mit Ausnahme von Johannes bei ihrer Mutter leben wollten. Ich wagte nicht allzu viel zu fragen, die Anhörung von Minderjährigen ist eine heikle Sache, wenn weder Eltern noch Sozialarbeiter zugegen sind. Immerhin konnte ich meiner Freundin Leena, der Juristin, einiges Material liefern. Das Gericht würde auch die Kinder anhören müssen.
»Soso, da kam uns also der gute Herr Yli-Koivisto auf dem Tretschlitten entgegen. Haben wir Zeit, nochmal bei ihm vorbeizuschauen?«
»Nur wenn dein Zug Verspätung hat. Du kannst ja mal beim Bahnhof anrufen, ich hab die Nummer hier.«
Ich schaltete mein Handy ein, doch bevor ich den Anruf tätigen konnte, piepte es. Taskinens Stimme war nur gedämpft und mit mehreren Unterbrechungen zu hören, doch das Wichtigste bekam ich mit.
Aira Rosberg lag auf der Intensivstation, und es war keineswegs sicher, ob sie überleben würde. Sie war offenbar am Vorabend gegen zehn Uhr überfallen worden, als sie von einem Besuch bei Bekannten zurückkam. Als sie ausstieg, um das Tor zu öffnen, wurde sie mit der fünfzehn Kilo schweren Bärenstatue, die den Torpfosten zierte, niedergeschlagen.
Dreizehn
Am liebsten hätte ich mich sofort in den Flieger gesetzt, doch die Nachmittagsmaschine war ausgebucht, es standen bereits drei Namen auf der Warteliste, und mit der Abendmaschine war ich kaum früher in Helsinki als mit dem Zug. Was hätte ich in Espoo auch schon tun können? Aira war bewusstlos, und es war nicht einmal abzusehen, ob sie je wieder erwachen würde.
Es war Johanna gewesen, die Aira in der Nacht gefunden hatte. Sie hatte ferngesehen und erst am Ende der Sendung gemerkt, dass sie Aira nicht kommen gehört hatte. Deshalb wollte sie in Airas Zimmer nachschauen, hatte auf dem Weg dorthin jedoch auf dem Monitor gesehen, dass vor dem Tor ein Auto stand. Als ihr klar wurde, was passiert war, hatte sie einen Krankenwagen gerufen. Die Polizei war erst von den Sanitätern alarmiert worden, Johanna behauptete, sie habe geglaubt, die Statue wäre von allein heruntergefallen.
»Und das ist ausgeschlossen?«, schrie ich aufgeregt ins Bord-telefon. Mein Handy weigerte sich zu funktionieren, solange der Zug durch die endlosen Wälder schoss.
»Ja«, sagte Taskinen am anderen Ende. »Die Statue stand zu weit seitlich. Wir haben es mehrmals ausprobiert.«
»Wie geht es Johanna Säntti?«
»Offenbar recht gut, jedenfalls hat sie den guten Ström bei der ersten Vernehmung ganz schön zur Schnecke gemacht. Jetzt ist sie bei Aira Rosberg im Krankenhaus.«
»Zur Schnecke gemacht?«
»Ström ist sicher nicht der Einzige, der Johanna Säntti als Hauptverdächtige betrachten würde. Und du kannst dir ja denken, dass unser guter Pertti mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg gehalten hat. Seltsame Geschichte. Ich hatte mich schon beinahe entschlossen, die Ermittlungen im Fall Elina Rosberg einzustellen, weil wir keine eindeutigen Hinweise auf ein Verbrechen gefunden haben. Und nun das … Offenbar wusste Aira Rosberg etwas …«
»Das Gefühl hatte ich die ganze Zeit. Ich fahre morgen früh sofort nach Rosberga. Habt ihr Johanna Säntti erlaubt, dort zu übernachten?«
»Soweit ich weiß …«
»Und natürlich ist niemand da, der ein Auge auf sie hat?
Schickt unbedingt jemanden hin und sagt Frau Säntti, dass sie in Gefahr schwebt. Sonst fahr ich heute Nacht noch hin.«
»Das wirst du nicht tun! Ich kümmere mich darum. Reg dich ab, Maria, du rotierst ja geradezu.«
Ich brachte es nicht fertig, mich zu entspannen, es war einfach zu frustrierend, tatenlos im Zug sitzen zu müssen. Also ging ich wieder zum Telefon, versuchte Antti zu erreichen und wählte dann eine zweite Nummer in Helsinki. Natürlich war Tarja Kivimäki nicht zu Hause, wieder einmal sprach ich mit ihrem Anrufbeantworter.
»Hauptmeister Kallio von der Kriminalpolizei Espoo. Leider muss ich den Termin, den wir für Donnerstag zehn Uhr vereinbart hatten, absagen.« Ich machte eine kurze Pause, mochte
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