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Lehtolainen, Leena

Titel: Lehtolainen, Leena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: du hättest vergessen Du dachtest
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bin?«
    »Aber das bringt doch die Operation in Ordnung.« Warum hatten die Krankenschwestern ihn ins Bild gesetzt? Das hätten sie nicht tun dürfen.
    »Vielleicht.«
    »Kaitsu, du bist ein Held, heute stand sogar in der Zeitung, dass dieser Abgeordnete und seine Familie nicht mehr am Leben wären, wenn du nicht so besonnen gehandelt hättest, trotz deiner Verletzung hast du …«
    Er verzog das Gesicht. Plötzlich sah er aus wie ein verstockter kleiner Junge.
    »Aber die beiden Jungen sind tot.«
    »Selber schuld, sie hätten eben nicht …«
    »Du weißt noch nicht alles. Man hat Spuren von Drogen in meinem Blut gefunden. Ich werde angeklagt, im schlimmsten Fall wegen fahrlässiger Tötung.«
    »Auf Rauschgift steht Gefängnis! Wie konntest du nur?«
    Er gab keine Antwort. Ich überlegte mir, dass man einen Gelähmten wohl nicht ins Gefängnis stecken würde. Wie sollte er denn auf den Treppen und hinter Gittern mit dem Rollstuhl zurechtkommen?
    »Lass uns nicht mehr reden, ich bin so müde«, bat Kaitsu, dem irgendetwas aus dem Augenwinkel lief. Er hatte nie geweint, selbst als Kind nicht.
    Der Abgeordnete verdankte Kaitsu sein Leben und das seiner Familie. Vielleicht konnte er dafür sorgen, dass mein Sohn nicht angeklagt wurde. Sollte ich ihn sofort anrufen? Wo war ein Telefon? Als ich den Flur entlangging, kam mir Katja mit langen Schritten entgegen.
    »Wie geht es Kaitsu?«
    »Er wird noch einmal operiert.«
    »Mutter, dieser Eero Tiainen hat angerufen. Er kommt heute Abend. Muss ich ihn treffen?«
    »Nur, wenn du willst.«
    »Ich weiß es nicht, sag du mir, was ich tun soll.«
    »Hör auf, so zu reden wie Sara!«, schrie ich sie an. Ich musste Veikko anrufen. Er sollte sich um Eero kümmern, und um den Abgeordneten auch. »Gib mir dein Handy!«, forderte ich Katja auf. Sie starrte mich an und sagte:
    »Mutter! Ich kenne dich ja überhaupt nicht …«

    ZWANZIG
    Veikko
    … und es ist eine alberne Illusion, zu glauben, dass man irgendwen kennen könnte. Die Vorstellung, jemand wüsste jederzeit, was ich gerade denke und wie ich reagiere, ist äußerst unangenehm. Vielleicht empfindet Sara ähnlich und wechselt deshalb pausenlos ihre Meinung und ihre Neurose.
    Ich hätte nicht erwartet, dass Sirkka sich so dramatisch aufführt und Eero anruft. Nach fünfundzwanzig Jahren! Sie sagte, er habe sich ab und zu gemeldet, doch sie habe sein Geld und die Weihnachtsgeschenke für die Kinder postwendend zurück-geschickt. Dann bat sie mich, in die Klinik zu kommen, um Eero in Empfang zu nehmen. Sie wollte ihn nicht sehen. Auf die emotionalen Szenen, die zu erwarten waren, hätte ich auch lieber verzichtet.

»Hast du Sara schon angerufen?«, fragte ich.
    »Nein. Zum Glück stand Kaitsus Name noch nicht in der Zeitung. Vielleicht bringe ich es morgen …« Ihre Stimme begann zu zittern. »Als Nächstes schreiben sie natürlich, der Taxifahrer war gar kein Held, sondern ein Drogenkurier. Warum habe ich nicht rechtzeitig …«
    Sirkka war normalerweise keine Heulsuse. Ich versprach ihr, am frühen Abend in die Klinik zu kommen. Dann hob ich die winselnde Ulla hoch. Die Hündin war schon seit einem Monat bei mir, aber ich hatte sie noch kein einziges Mal angebrüllt. Ich machte ihr die Tür auf und ging auch gleich die Post holen. Das Postauto hatte seit langem wieder einmal an meinem Briefkasten gehalten.
    Außer Werbesendungen lag nur ein kleiner hellblauer Brief-umschlag mit handschriftlicher Adresse im Kasten. Der Absender war jemand namens A. Hatakka. Völlig unbekannt. Im Lauf meiner Karriere hatte ich gelegentlich Verehrerbriefe bekommen, aber vielleicht wollte mich diesmal jemand kritisie-ren.
    Ich setzte mich an den Stubentisch, bevor ich den Umschlag aufriss. Als ich den Brief las, musste ich lächeln. Situationen wie diese gab es sonst nur in amerikanischen Filmen und in John Irvings Romanen.
    »Sehr geehrter Herr Liimatainen, ich studiere Literaturwissenschaft an der Universität Oulu und schreibe meine Magisterarbeit über Ihr literarisches Schaffen. Dabei verwende ich eine biographisch-soziologische Methode. Als Studentin bin ich ein Spätzünder, ich bin nämlich schon 41. Ich habe mein Studium unterbrochen, als meine Kinder geboren wurden, doch da das jüngste inzwischen schon 14 ist, habe ich Zeit, mein Studium fortzusetzen.
    Ich wage kaum zu fragen, ob es möglich ist, Sie zu treffen. Da ich eine partiell biographische Methode anwende, habe ich eine Reihe von Fragen zu Ihrem Leben, die sich am leichtesten

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